Die
Druckabhängigkeit
der
Ionenleitfähigkeit
anomaler
Mischkristalle
vonAgBr
und
AgJ
Von
K.Wagener
Physikalisch-chemisches
Institut der Universität Zürich Mit 6Abbildungen
im Text(Eingegangen
am 7. 8.59)Es werden
Messungen
des Druckkoeffizienten derIonenleitfähigkeit
vonAgBr, AgJ und deren anomalen Mischkristallen
mitgeteilt
(für verschiedeneTemperaturen).
Der Verlauf des Druckkoeffizienten inAbhängigkeit
vomZusatz anzweiwertigenFremdionen entspricht der Erwartung. 1.
Herstellung
derPräparate
undMeßproben
Alle verwendeten Gefäße wurden vor Gebrauch zweimal mit
Wasser
ausgekocht,
das in einerQuarzapparatur doppelt
destilliertworden war
(„Leitfähigkeitswasser").
Das Ausfällen derPräparate
wurde bei
Rotlicht,
das Trocknen beivölliger
Dunkelheitvorgenom-men.
AgBr:
MitLeitfähigkeitswasser
wurde eineetwa1/2molare
AgN03-Lösung (p.
A.Merck)
hergestellt.
Aus dieser wurde mitetwa10%iger
HBr(p.
A.Merck)
dasPräparat
in der Hitzeausgefällt,
bis zumleichten
Überschuß
von HBr. Von demabgesetzten Niederschlag
wurde die kolloidale
Lösung
dekantiert. DerNiederschlag
wurde dann mitschwacher,
schrittweise immer mehrverdünnter,
heißerHBr-Lösung,
später
mit kochendemLeitfähigkeitswasser
20mal ausge-waschen. Schließlich wurde er etwa 2 Stunden aufdemWasserbad,
dannim Trockenschrank bei 150°C mehrere Stunden
getrocknet.
AlsTiegel
zurHerstellung
der Bromid-Proben diente einSchmelzröhrchen aus
Duranglas (Volumen
2cm3;
Volumen derfertigen
Probe etwa0,5
cm3).
Infolge
des kleinenAusdehnungs-koeffizienten dieses
Glases
war die erstarrte Probe leicht daraus zu Z.physik.Chem. NeueFolge,Bd.23, Heft5/6 20entfernen,
ohne daß derTiegel
zerstört und damit diefertige
Probegefährdet
zu werden brauchte. Als Elektroden wurden Foliestreifen aus Silber(0,02
mmstark)
mit in die Probeeingeschmolzen.
DasSchmelzen und anschließende
langsame
Abkühlen der Probegeschah
in einemVakuumrohr,
dasgegebenenfalls
—
um Sublimation zu
ver-meiden —
mit
gereinigtem
Stickstoffgefüllt
wurde.Bei der
Herstellung
der Mischkristalle wurde dieabgewogene
Menge
GdBr2
zuvor mit demAgBr
in einerReibschale vermischt. AlleArbeiten wurden bei Rotlicht
ausgeführt.
Nach
Beendigung
der unten beschriebenenLeitfähigkeitsmessung
wurden die Dimensionen der Proben aus reinemAgBr
ausgemessenund ihre
Widerstandskapazität
berechnet. EinenVergleich
der soerhaltenen
Absolutleitfähigkeiten
mit Werten anderer Autorenzeigt
die Tabelle:Kochu.Wagner1 Teltow2 Diese Arbeit
200 °C 300°C 350°C 2,01 9,36 6,0 2,05 6,0 • 10-" Q~ 1,9 • 10-2 8,55• 10~2
AgJ:
Bei derHerstellung
derPräparate
wurde genauso verfahrenwie beim
AgBr.
Auch hier wurde mit einem leichtenÜberschuß
anHJ
gearbeitet.
Getrocknet wurde bei einerTemperatur
von 130°C.Für die Zusätze
(PbJ2)
wurde einfertiges Handelspräparat
verwandt.Da
AgJ
beiAbkühlung
sein Volumen amUmwandlungspunkt
und in der
/?-Phase vergrößert,
wurde ein flacherTiegel
aus dünnemPlatinblech
gefalzt,
der sichvon der erkalteten Probe leicht abziehenließ. Die Proben wurden in Form dünner Plättchen
hergestellt,
vonetwa 2 mm
Dicke,
dagrößere Schmelzkörper
beim Durchfahren desUmwandlungspunktes
Risse bekommen. Aus demgleichen
Grundemußte auch befürchtet
werden,
daßVeränderungen
des Kontaktesder
eingeschmolzenen
Elektroden eintraten. Es wurde daher eine sehrduktile Elektrodenform
gewählt:
dünneSilberdrahtwendeln,
vondenen etwa 4 bis 6
Windungen
in die Dicke der Probenhineinragten.
Mit solchen Proben konntengut
reproduzierbare
Widerstandswerte auch nachmehrmaligem
Durchfahren desUmwandlungspunktes
gemessen werden.
1 E.Koch undC.Wagner, Z.
physik.
Chem. B 38 (1938) 295.2 J.Teltow,Ann.
2.
Ausführung
derMessungen
Zur
Messung
wurden die Proben in einDruckgefäß
(Volumen
100
cm3)
eingebaut,
das sich in einem Metallblockofengroßer
ther-mischerTrägheit
befand. Dadurch war esmöglich,
dievorgesehene
Meßtemperatur
sehrlangsam steigend
und fallend zu durchfahren.Wegen
der Wärmeeffekte beimKomprimieren
undExpandieren
des alsDruckübertrager
dienenden Gases(gereinigter Stickstoff)
war dieMeßtemperatur
nicht konstant einzuhalten. Außerdem konnte nurdie
Wandtemperatur
des Autoklaven gemessenwerden,
und so wareine
gewisse Temperaturhysterese
zwischen Thermometer und Probeprinzipiell
nicht zuvermeiden;
dochzeigten
Beobachtungen
beimDurchlaufen eines
jeden Temperaturextremums,
demja
einLeit-fähigkeitsextremum
der Probeentspricht,
daß diese zeitlichenVer-zögerungen
nur etwa 1 Minutebetrugen.
VorBeginn
derMessung
wurde die Probe
jeweils
mehrere Stunden auf derMeßtemperatur
gehalten,
bis ein konstanter Endwert des Widerstandes erreicht war.Nach
jeder Druckänderung
wurdeebenfalls 20bis30Minutengewartet,
bevor derMeßpunkt
mehrere Malemöglichst langsam
steigend
und fallend durchfahren wurde(die
Änderungsgeschwindigkeit
derTem-peratur
betrug
hierbei etwa0,01°
proMinute).
DieTemperatur-messung konnte mit Hilfe eines Widerstandsthermometers auf 10~3°
(relativ)
ausgeführt
werden.Die Widerstände der Proben wurden in einer Wechselstrommeß-brücke bei einer
Frequenz
von 1000 Hz gemessen. Im Bereich 103bis 105 Ohm bestand sie aus einem
symmetrischen
Differentialüber-trager
mitgetrennter
Wicklung
für denEmpfänger.
AlsEmpfänger
(Nullinstrument)
wurde einOszillograph
verwandt,
um einenvoll-ständigen Abgleich
auch desImaginärteils
des Widerstandes zuer-reichen. So war es
möglich,
den Ohmschen Anteil auf 10~5 seinesBetrages
zu bestimmen. Für den Bereich unter 1000 Ohm wurde eineunsymmetrische
Brücke im Verhältnis 10: 1 bzw. 100: 1 benutzt. Siegestattete
einenAbgleich
auf etwa 10~4. AlsStromquelle
diente einPegelsender,
dessenSpannung
je
nach Erfordernis zwischen 50und300mV
variiert,
aberstetssoniedrig
wiemöglich gehalten
wurde.3.
Meßergebnisse
Die Abb.1 und 2
zeigen
den Ohmschen Widerstand(bezogen
aufden Wert bei P =
0)
zweiertypischer
Proben inAbhängigkeit
vomder
Zusammenhang
oberhalb von 50 atmsehrgut
linear ist. Darunterzeigen
sichAbweichungen
im Sinne eines stärkerenAnstiegs,
derreversibel durchlaufen wird.
Überhaupt
ist dieReproduzierbarkeit
derMessungen
an den Bromsalzen sehrgut.
Als Druckkoeffizientwurde stets der
Anstieg
im linearen Verlauf oberhalb 50 atman-gegeben.
Weniger
gut
ist dieReproduzierbarkeit
derMessungen
anAgJ-Schmelzkörpern
und insbesondere dessen Mischkristallen. Daswich-tigste Ergebnis entspricht
derErwartung
auf Grund desnegativen
Abb. 1
Abb. 1 und 2. Zwei Messungsbeispiele. Der Ohmsche Widerstand (gemessen bei 1 kHz und bezogen aufden Wert bei P = 0) von
Kristallschmelzkörpern
in Abhängigkeit vom äußeren (hydrostatischen) Druck. Die Pfeile geben die Reihenfolgean,in der die Werte gemessen wurden.
1. AgBr + 2,66
Mol-% CdBr2;
2.AgJ + 0,76Mol-% PbJ2
Volumenausdehnungskoeffizienten:
in derß-Phase
ist dieLeitfähig-keit unter Druck
vergrößert.
Wie die Abb.2zeigt,
ist derZusammen-hang jedoch
nicht genaulinear,
sondern derAnstieg
wächst mitzunehmendem Druck. Auch wird nach
Druckentspannung
derAus-gangswert
nichtvöllig
wiedererreicht,
wie die beiden übereinander
-liegenden Meßpunkte
auf der Ordinate bei P = 0zeigen.
DieseErscheinung
wiederholt sichimgleichen
Sinne beijeder
erneutender
Endpunkt
bei P = 0 stets unter demAusgangspunkt liegt.)
Umauch hier zu einem linearen Koeffizienten für den Druckeinfluß zu
kommen,
wurde derAnstieg
der Sekante durch die Punkte bei P = 0und P = 130 atm
benutzt,
und zwar imallgemeinen
getrennt
für diebei
Kompression
undExpansion
gewonnenen Werte.400°
Abb.3. Temperaturabhängigkeit des Druckkoeffizienten bei AgBr. Drei ver-schiedene Präparate
Abb. 4.
Temperaturabhängigkeit
des Druckkoeffizienten beiAgJ. I:zwe^ver-schiedene
AgJ-Präparate.
II:AgJ+ 0,45Mol-%
PbJ2.III:AgJ+ 0,76Mol-%
PbJ,
DieAbb.3 und4
zeigen einige Beispiele
für denTemperaturverlauf
von Druckkoeffizienten. Man beachte nochmals das unterschiedliche
Vorzeichen des Druckkoeffizienten für
AgBr
undAgJ.
Gemeinsam
ist allen eine Zunahme desBetrages
desDruckkoeffizienten
mit derTemperatur.
IndividuelleUnterschiede,
wie sie anProben,
die ausverschiedenen
Präparaten hergestellt
waren, beobachtetwurden,
scheinen mit wachsenderTemperatur
zu verschwinden.Qualitative
Beobachtungen
legen
dieVermutung
nahe,
daß dieses Verhalten durch einen unterschiedlichgroßen
Anteil elektronischerStörleitung
(infolge
nicht-stöchiometrischerZusammensetzung
desKristalls)
verursachtwird,
derja praktisch druckunabhängig
ist3. DasPräparat
mit dem
größten
Druckkoeffizienten ist mithin als das reinstean-zusehen. Von diesem
jeweils ausgehend
wurden auch die Misch-kristallehergestellt.
Eine Ausnahme im
Temperaturverlauf
bildet der Druckkoeffizientinder a-Phase des
AgJ.
Hier wurdenfolgende
Wertegemessen:191°C: DK =
3,7
• 10"s(atm"1)
400°C: DK =
1,5-
10"5.Er nimmt also mit wachsender
Temperatur
ab und ist eineGrößen-ordnung
kleiner als in der/J-Phase
und beimAgBr.
Die Abb.5 und 6
zeigen
den Verlauf des Druckkoeffizienten inAbhängigkeit
vom Zusatz anzweiwertigen
Fremdkationen. ManersiehtausderAbb.
5,
daß derDruckkoeffizientmitsteigendem
Zusatzmonoton auf einen konstanten Endwert
absinkt,
der bei der tieferenTemperatur
bei erheblichgeringeren
Zusätzen erreicht wird als bei der höheren. Dies ist nach der ScHOTTKY-WAGNEEschenFehlordnungs-theorie und unter
Zugrundelegung
des idealenMassenwirkungs-gesetzes
zwischen Leerstellen undZwischengitterteilchen
ganzer-wartungsgemäß4.
Der von Mennenöh5 abweichend von der Abb.5gemessene Verlauf
(der
an der entscheidenden Stellenur durch einenMeßpunkt
festgelegt
ist)
könnte vielleicht auf einem Meßfehlerberuhen.
Für die Jodid-Mischkristalle sind die Meßwerte für
Kompression
undExpansion
getrennt eingetragen.
Wie mansieht,
sind bis etwa1,3
Mol-%
Zusatz die Differenzen zwischen beiden Werten unerheblich. Oberhalbvon1,3
Mol-%
scheint(zumindest
unterDruck)
Entmischung
einzutreten. Darauf deutet vor allem die mitunter sehrlange
Temper-zeit,
die erforderlich war, bisdie Proben bei derMeßtemperatur
einenkonstanten Endwert des Widerstandes
zeigten. Gleichzeitig
damitwurden die Differenzen zwischen denbei
Kompression
undExpansion
gemessenen Werten beträchtlich. Einwandfrei scheintjedoch
aus denMessungen hervorzugehen,
daß bei etwa0,6
bis0,8
Mol-%
Bleizusatz3 Vgl. z.B.Benedek,Paul undBrooks,
Phys.
Rev. (2) 98 (1955) 1193.4 W. Jost, Diffusionin Solids,
Liquids,
Gases. New York 1952.5 S.Mennenöh, Dissertation
Marburg
1949; W. Jost und S.Mennenöh, Z.physik.
Chem. 196 (1950) 188.ein konstanter Endwert des Druckkoeffizienten erreicht wird
(bei
einerTemperatur
von110°C).
Bekanntlich ist der konstante Endwert des Druckkoeffizienten bei
großen
Zusätzengleich 1¡RT
dün¡dPi.
Mit derAnnahme,
daß sichdas
Fehlstellenprodukt (bei vorgegebener Temperatur)
beiZugabe
zweiwertiger
Fremdionen nichtändert,
können aus dem Verlauf derKurven in Abb.5und 6auch dieDruckkoeffizientenaller drei
Energie-größen
berechnet werden(dE¡dP,dJJu¡dP,
dUQ/dP;
EFehlordnungs-energie,
U~n
undUQ
diePotentialschwellen,
die bei derWanderung
5r2 3
-*> Mol-%
CdBr2
Abb.5. Druckkoeffizienten von
AgBr—CdPjyMischkristallen
Expansion
Kompression
110'C
Mol-%
PbJ2
Abb. 6. Druckkoeffizienten von
AgJ—P6J2-Mischkristallen.
Erläuterung
im Texteiner Leerstelle bzw. eines
Zwischengitterteilchens
zu überwindensind),
doch soll hier darauf verzichtetwerden. DieAnnahme ist offen-bar keine sehrgute
Näherung.
DasErgebnis
derRechnung
ist: beimAgBr
istdU0/dP
etwadoppelt
sogroß
wiedUD¡dP,
während dieDruckabhängigkeit
von Egegenüber
beiden zuvernachlässigen
ist.Das Verhältnis der
Beweglichkeiten
vonZwischengitterteilchen
undLeerstellen ist 6 bis 8. Beim
AgJ
ist inumgekehrter
WeisedUD¡dP
betragsmäßig größer
alsdUQ¡dP
und wiederumdEjdP praktisch
zuvernachlässigen.
DasBeweglichkeitsverhältnis
ist hieretwa 5.Diese Arbeit wurde 1955im Institut für