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Droit européen: Suisse - Union européenne = Europarecht: Schweiz - Europäische Union

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Droit européen: Suisse - Union européenne = Europarecht: Schweiz - Europäische Union

KADDOUS, Christine, TOBLER, Christa

KADDOUS, Christine, TOBLER, Christa. Droit européen: Suisse - Union européenne =

Europarecht: Schweiz - Europäische Union. Swiss Review of International and European Law , 2008, vol. 18, no. 4, p. 351-386

Available at:

http://archive-ouverte.unige.ch/unige:44211

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Droit europeen : Suisse - Union europeenne Europarecht: Schweiz - Europaiische Union

Von Christine Kaddous*/Christa Tobler**

A. Legislation - Gesetzgebung

Hinsichtlich der Entwicklung des bilateralen Rechts sind insbesondere die lau- fenden Verhandlungen ffir ein neues Abkommen iiber den grenziiberschreiten- den Handel mit Elektrizitfit zu erwdihnen. Verhandlungen werden auch im Hin- blick auf ein Bildungsabkommen sowie ein Agrarfreihandelsabkommen gefifirt.1 Folgen ffir Bestand und Entwicklung des bilateralen Rechts wird auch die Volksabstimmung vom 8. Februar 2008 haben, in welcher es um die Weiter- fihrung des Personenfreiziigigkeitsabkommens (FZA)2 sowie seine Ausdeh- nung auf die neuen EU-Mitgliedlfinder Rumdinien und Bulgarien geht.3 Dabei ist daran zu erinnem, dass das FZA zu den Bilateralen I geh6rt, welche durch die sog. Guillotineklausel miteinander verbunden sind. Fillt ein Abkommen weg, so gilt dies automatisch auch ffir die anderen sechs Abkommen. Zwar nicht formell, wohl aber inhaltlich ist das FZA ausserdem mit dem Schengen- Abkommen verbunden, sodass im Falle eines negativen Ergebnisses der Ab- stimmung wohl auch hier Folgen zu erwarten wfiren.4 Eine inhaltliche Weiter- entwicklung des FZA wurde an der siebten Sitzung des zustdindigen Gemischten Ausschusses besprochen. Die Schweiz informierte iiber den Entscheid des Bun-

Christine Kaddous, Professeur i l'Universit& de Gen~ve. Chaire Jean Monnet. Directeur du Centre d'&tudesjuridiques europ&ennes (www.unige.ch/ceje). La pr~sente chronique a t r~dig~e en colla- boration avec Mm Diane Grisel, assistante au Centre d'&tudesjuridiques europ~ennes de l'Universit&

de Gen~ve. M' Eric Maugu&, avocat i Gen~ve, a particip& pour la partie consacr~e A la s~curit& so- ciale.

Christa Tobler, Professorin fur das Recht der europ~iischen Integration am Europainstitut der Univer- sit/it Basel (www.europa.unibas.ch) sowie am Europainstitut der Universit~it Leiden (www.law.

leiden.edu/organisation/publiclaw/europainstitute/europa-instituteijsp).

Fir Hinweise zu diesen und anderen Themen siehe www.europa.admin.ch/themen/00499/00503/

index.html?lang de.

2 Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Europ~iischen Wirtschaftsgemeinschaft und der schwei- zerischen Eidgenossenschaft, fur die Schweiz SR 0.632.401, fur die EWG ABI. 1972 L 300/189.

3 Botschaft zur Weiterfihrung des Freiziigigkeitsabkommens sowie zu dessen Ausdehnung auf Bulga- rien und Rumdnien, BBI. 2008, S. 2135.

4 Siehe zum Thema CHRISTA TOBLER, <<Fortftihrung und Ausdehnung des Freiztigigkeitsabkommens.

Die Personenfreiztigigkeit aus juristischer Sicht>>, in: Georg Kreis (Hrsg.), Schweiz - Europa: wie weiter? Kontrollierte Personenfreiztigigkeit, Zdirich: Verlag Neue Zfircher Zeitung 2009, 69-101.

SZIER RSDIE 4 2008 Kaddous Tobler

SZIER/RSDIE 4/2008 Kaddous/Tobler

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desrates zur 1Ubemahme der neuen EU-Richtlinie 2005/36/EG im Bereich der Diplomanerkennung.5 Der Rechtstext muss durch einen Beschluss des Ge- mischten Ausschusses ins Abkommen iibernommen werden, nachdem die er- forderlichen Vorarbeiten zur Umsetzung der Richtlinie geleistet sind. Ein In- krafttreten wird auf spditestens Anfang 2010 angestrebt.

In der EU bzw. der EG sind auch im vergangenen Jahr zahlreiche Erlasse des sekundiren Rechts ergangen, von denen j edoch die tibergrosse Mehrheit fir das bilaterale Recht nicht relevant ist (z.B. der Vorschlag fir eine neue Rahmen- richtlinie iber den Konsumentenschutzj welche u.a. die geltende Fernabsatz- richtlinie8 ersetzen soll); solche Themen k6nnen aber im Rahmen des autono- men Nachvollzuges von Bedeutung sein.9 Eine wichtige Ausnahme wird die neue Sozialversicherungsdurchfiihrungsverordnung sein, zu der nun ein geain- derter Vorschlag vorliegt10 und nach deren Annahme die neue Sozialversiche- rungsverordnung11 zur Anwendung gelangen k6nnen wird. Es wird dem Ge- mischten Ausschuss zum FZA obliegen, iber eine diesbezfigliche Anderung des Anhanges zu beschliessen. Bisher beruht das Sozialversicherungsrecht des FZA auf der Verordnung 1408/71/EWG.12

5 Richtlinie 2005/36/EG fiber die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABI. 2005 L 255/22.

6 Siehe dazu www.news-service.admin.ch/NSBSubscriber/message/de/19585.

7 Vorschlag ffr eine Richtlinie des Europ~iischen Parlamentes und des Rates fiber Rechte der Verbrau- cher, KOM(2008) 614.

Richtlinie 97/7/EG des Europ~iischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 fiber den Ver- braucherschutz bei Vertragsabschlfissen im Fernabsatz, ABI. 1997 L 144/19 (mit seitherigen Ande- rungen).

9 In den Bereich des autonomen Nachvollzuges geh6rt auch die Revision des Bundesgesetzes fiber die technischen Handelshemnisse zur einseitigen Einffhrung des Cassis de Dijon-Prinzips im Hin- blick auf die Einfiihr von Waren aus der EWR; siehe dazu die Botschaft zur Teilrevision des Bundes- gesetzes fiber die technischen Handelshemnisse (THG), BBI 2008 7275.

1 Gednderter Vorschlag fdr eine Verordnung des Europ~iischen Parlaments und des Rates zur Festle- gung der Modalitiiten ffr die Durchffhrung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, KOM (2008) 647.

Verordnung 883/2004/EG zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABI 2004 L 166/1. Siehe dazu bereits die Europarechts-Chronik in SZIER 2006, 611-640, S. 470 ff.

12 Verordnung 1408/71 /EWG zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit aufArbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABI. 1971 L 149/2. Siehe dazu die konsolidierte Textversion in CHRISTINE KADDOUS/FABRICE PICOD, Union europdenne.

Communaut europdenne. Recueil de textes, Berne/Bruxelles/Paris (Stdmpli/Bruylant/LGDJ), 2008, 6 m &d., p. 443-508 (im Folgenden zitiert als << KADDOUS/PICOD ))).

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B. Developpements recents de la jurisprudence:

CJCE, Cour AELE et Tribunal federal suisse - Neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung:

EuGH, EFTA-GH und Schweizerisches Bundes- gericht

I. Einleitende Bemerkungen - Introduction

Im folgenden Teil werden wie in der Europarechts-Chronik der SZIER iib- lich zuerst einige wenige Entscheide des EuGH zum EG-Recht sowie des EFTA-GH zum EWR-Recht besprochen.13 Anschliessend folgt eine Auswahl von Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts zum bilateralen Recht. Hinsichtlich der Rechtsprechung des EuGH zum EG-Recht iiber die Per- sonenfreiziigigkeit und die Dienstleistungsfreiheit und ihre Relevanz ffir das FZA rufen wir auch dieses Jahr in Erinnerung, dass die schweizerischen Ge- richte zur Beachtung der Rechtsprechung des EuGH dann verpflichtet sind, wenn diese sich auf gemeinschaftsrechtliche Begriffe bezieht, die auch im Rah- men des bilateralen Personenfreiziigigkeitsabkommens relevant sind, und wenn sie vor dem 21. Juni 1999 ergangen ist. Die schweizerische Praxis handhabt diese Verpflichtung nicht formell, sondern beachtet auch spfitere Rechtspre- chung, sofern sie eine Fortfdihrung oder Prfizisierung der friiheren Rechtspre- chung darstellt. Die Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofes zum EWR-Recht ist ffir die Schweiz nicht verbindlich. Wegen seiner starken Homogenitdit mit dem EG-Recht ist aber auch das EWR-Recht ffir das bilaterale Recht von Inter- esse.

Neue Entscheide des EuGH zum bilateralen Recht gibt es seit der Champa- gner-Entscheidung14 vom Sommer 2007 nicht. Weiterhin hfingig ist die schwei-

zerische Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung der Europfiischen Kommis- sion im Luftverkehrsstreit. 15 Vom Prfisidenten des Gerichts erster Instanz zuriickgewiesen wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, welcher von einem offenbar deutschen Staatsbiirger im Hinblick auf eine Klage

13 Fir weitere Besprechungen siehe ASTRID EPINEY/ROBERT MOSTERS, <Die Rechtsprechung des EuGH zur Personenfreiziigigkeit und ihre Implikationen fur das Freiztigigkeitsabkommen> , in:

Astrid Epiney/Tamara Civitella (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuchfir Europarecht/Annuaire suisse de droit europden 200712008, Bern: Stdmpfli/Zdirich: Schulthess 2008, 55-1.

14 Rs. T-212/02 Commune de Champagne u.a. gegen Rat undKommission, Beschluss vom 3. Juli 2007 (noch nicht in der Sammlung der Entscheidungen ver6ffentlicht). Siehe dazu bereits die Europa- rechtschronik in SZIER 2007, 637-664, S. 644 ff. Ffir eine ausftihrliche Urteilsbesprechung siehe Christa Tobler, <<Das Ende des schweizerischen Champagners, Rs. T-212/02 Commune de Cham- pagne et al. gegen Rat und Kommission), Aktuelle Juristische Praxis 2008, 497-503.

15 Rs. T-319/05 Schweizerische Eidgenossenschafi gegen Kommission, hdngig.

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gegen das schweizerische Bundesgericht, das Bezirksgericht Bilach und das schweizerische Bundesarnt for Migration gestellt worden war.16 Der Prfisident des Gerichts hielt dazu fest, dass das Gericht fir die Entscheidung iiber eine Klage einer nattirlichen Person gegen nationale Einrichtungen eines Drittstaates nicht zustdindig ist, sodass die Rechtsverfolgung im vorliegenden Fall offen- sichtlich unzulfissig erscheint.

Eine Vorabentscheidung des EuGH zu den Bilateralen I oder II liegt nach wie vor nicht vor. Mangels solcher Entscheidungen sind verschiedene Fragen seitens des EuGH noch nicht geklirt, so z.B., ob sich der Gerichtshof der Aus- legung des schweizerischen Bundesgerichtes anschliessen wird, wonach das FZA keine Marktzugangsrechte fdr Dienstleistungsempfdinger und -emfinge- rinnen gewfhrt.11 Zu anderen Aspekten sind aber Ersuchen hdingig. Eines davon betrifft die Frage, ob die Bestimmungen des FZA es zulassen, dass das in Deutschland beschfiftigte Verwaltungsratsmitglied einer schweizerischen Akti- engesellschaft in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist, obwohl in Deutschland beschfiftigte Verwaltungsratsmitglieder einer deutschen Aktiengesellschaft versicherungsfrei sind.18 In zwei weiteren, ebenfalls das FZA betreffenden Vorabentscheidungsersuchen geht es urn die Gleichbehand- lung von In- und Auslindern (konkret: von Schweizer Bauern) bei der Pacht von Landwirtschaftsland im soiddeutschen Raum.1 9

Ein weiteres, die Schweiz betreffendes Ersuchen urn eine Vorabentschei- dung bezieht sich formell nicht auf bilaterales Recht, sondern auf die Auswir- kungen des EU-internen Schengenrechts auf die Schweiz und diirfte insofern zurnindest indirekt auch for das bilaterale Schengenrecht von Interesse sein.

Der Fall betrifft die Entscheidung 896/2006/EG zur Einfohrung einer verein- fachten Regelung fir die Personenkontrollen an den Aussengrenzen, die darauf beruht, dass die Mitgliedstaaten bestinnte von der Schweiz und Liechtenstein ausgestellte Aufenthaltserlaubnisse ffir die Zwecke der Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet einseitig anerkennen.20

16 Rs. T-393/08 AJ Markus Oliver Schrdder gegen Bundesgericht Schweiz, Bezirksgericht Biilach und Bundesamtfir Migration, Beschluss des Pr~isidenten des Gerichts vom 10. Oktober 2008.

17 Siehe insbesondere BGE 133 V 624; dazu unten 111.4.a.

is Rs. C-351/08 Christian Grimme gegen Deutsche Angestellten-Krankenkasse, hdngig.

19 Rs. 13/08 Erich Stamm und Anneliese Hauser gegen Regierungsprdsidium Freiburg, sowie Rs.

193/08 Hermann Fischer und Rolf Schlatter gegen das Regierungspr~isidium Freiburg, beide hdngig.

Siehe dazu auch <dBauemstreit vor dem Europ~iischen Gerichtshof. Schweizer Bauern, deutsches Pachtland> , NZZ vom 9. Januar 2008.

20 Rs. C-139/08 Strafverfahren gegen Rafet Kqiku, hdngig.

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II. Rechtsprechung des EuGH und des EFTA-Gerichts- hofes zum EG-Recht - Jurisprudence de la CJCE et de la Cour AELE relative au droit communautaire 1. EuGH: Freier Personenverkehr - Libre circulation

des personnes

a) Marktzugangsrechte: Diskriminierungen und Beschriinkungen - Acc~s au march6 : discriminations et restrictions

Die im Folgenden beispielhaft erwfihnten Entscheide des EuGH zum EG-Recht betreffen die drei Grundformen der Beeintrichtigung des Rechts auf Zugang zum Markt fflr Erwerbstditigkeiten in anderen EU-Mitgliedstaaten bzw. auf Gleichbehandlung auf diesem Markt nach den Art. 39 EG (Arbeitnehmerfreizii- gigkeit) und Art. 43 EG (Niederlassungsfreiheit), ndimlich die direkte und die indirekte Diskriminierung wegen der Staatsangeh6rigkeit sowie die Beschrdin- kung der Freizfigigkeit.

aa) Direkte Diskriminierung - Discrimination directe

Der EuGH musste sich schon verschiedentlich mit den Arbeitsbedingungen von Fremdsprachenassistentinnen in Italien beschuiftigen, so z.B. in den Rechtssa- chen Allu21 und Spotti,22 aber auch in zwei Vertragsverletzungsverfahren.2 Die hier dargestellte Rechtssache aus dem Jahr 2008 erging vor dem Hintergrund jener frifieren Verfahren.2 4 Frau Delay, eine belgische Staatsangeh6rige, arbei- tete im Rahmen von befristeten Arbeitsvertrigen als sog. Austauschlektorin ffir Sprachunterricht an der UniversitA degli Studi di Firenze. Nachdem ihr bisheri- ger Vertrag nicht verldingert worden war, schloss sie mit der Universitfit einen unbefristeten Vertrag Uber die Anstellung als sog. sprachwissenschaftliche Mit- arbeiterin ab. Trotz dihnlicher Aufgaben wie vorher war ihr Lohn nun tiefer. Frau Delay berief sich deshalb auf ein italienisches Gesetz Uber die Anerkennung erworbener Rechte frifierer Sprachenlektoren. Ihre Klage wurde in erster In- stanz mit dem Argument abgewiesen, Sprachenlektorinnen und sprachwissen- schaftliche Mitarbeiterinnen seien zwei verschiedene Kategorien. Da die Bern- fungsinstanz aber Zweifel daran hatte, ob die italienische Gesetzgebung die

21 Rs. 33/88 PilarAllun und Carmel Mary Coonan gegen Universit degli studi di Venezia, Sgl. 1989, S. 1591, sowie Verb. Rs. C-259/91, C-331/91 und C-332/91 PilarAllu u. a. gegen Universih degli studi di Venezia und Universih degli studi di Parma, Slg. 1993, S. 1-4309.

22 Rs. C-272/92 Maria Chiara Spotti gegen Freistaat Bayern, Slg. 1993, S. I-5185.

23 Rs. C-212/99 Kommission gegen Italien, Slg. 2001, 1-4923 sowie Rs. C-119/04 Kommission gegen Italien, Sg1. 2006, 1-6885.

24 Rs. C-276/07 Nancy Delay gegen Universith degli Studi di Firenze u.a., Entscheidung vom 5. Mai 2008 (noch nicht in der Sammlung der Entscheide ver6ffentlicht).

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Vorgaben des EG-Rechtes einhielt, wie sie in den erwihnten Vertragsverlet- zungsverfahren erliiutert worden waren, ersuchte sie den EuGH urn eine Vor- abentscheidung iber die Auslegung von Art. 39 EG. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Arbeitnehmerfreiztigigkeit nach Art. 39 Abs. 2 EG das Verbot jeglicher Diskriminierung wegen der Staatsangeh6rigkeit beinhaltet sowie dass Art. 39 EG eine spezifische Auspriigung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung ist, wonach vergleichbare Situationen nicht verschieden und verschiedene Situationen nicht gleich behandelt werden diirfen, es sei denn, es liege eine objektive Rechtfertigung vor. Im vorliegenden Fall ist daher entschei- dend, ob die Rechte von italienischen Staatsangeh6rigen in einer vergleichba- ren Situation wie Frau Delay anders als in ihrem Fall gewahrt worden w~iren.

Nach italienischem Recht werden die Rechte von italienischen Arbeitnehmen- den, deren befristete Arbeitsvertriige in unbefristete Arbeitsvertriige umgewan- delt werden, gewahrt, wenn es sich urn ein kontinuierliches Arbeitsverhiltnis handelt. Ob diese Bedingung im vorliegenden Fall erfiillt ist, muss das italieni- sche Gericht im Hinblick auf die Charakteristika der zur Diskussion stehenden Arbeiten entscheiden. Entscheidend ist eine inhaltliche Betrachtungsweise, nicht die 5iusserliche Form der Anstellungen bzw. ihrer Unterbrechung oder Fortsetzung.

Die Entscheidung des EuGH impliziert, dass bei Vorliegen der erwdhnten Bedingungen eine Verweigerung der Gleichbehandlung gegentiber den auslin- dischen sprachwissenschaftlichen Mitarbeiterinnen eine direkte Diskriminie- rung wegen der Staatsangeh6rigkeit darstellt. Das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangeh6rigkeit in Bezug auf die Arbeitsbedingungen ist nicht nur im EG-Recht, sondern auch im bilateralen Personenfreiziigigkeitsabkom- men zentral (Art. 9 im Anhang I zum FZA). Auch hier gilt die seit Langem ge- festigte Rechtsprechung des Gerichtshofes iber die Auslegung von Rechts- gleichheit und Diskriminierung, insbesondere die allgemeine Formel, wonach

<<Gleiches gleich und Ungleiches ungleich>> behandelt werden muss (derselbe Ansatz gilt im 1Tbrigen auch im schweizerischen Recht). Daraus ergibt sich aber auch das Problem, dass wie im hier besprochenen Fall jeweils iber die Vergleichbarkeit von Situationen entschieden werden muss, was nicht immer einfach ist. Diese Problematik entfdillt im EG-Recht, wenn es in einem Fall statt um das Verbot der Diskriminierung um jenes von Beschrdinkungen geht. Wir werden spditer darauf zurtickkommen2

25 Siehe unten II.l.a.ce.

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bb) Indirekte Diskriminierung - Discrimination indirecte

In der Rechtssache Geurts und Vogten2 6 geht es um erbrechtliche Bestimmun- gen in Belgien. Frau Geurts und Herr Vogten erbten vom Ehemann bzw. Vater u.a. zwei Familienunternehmen (an denen das Ehepaar Geurts und Vogten se- nior gemeinsam 100% der Aktien hielt). Nach dem belgischen Recht sind sol- che Erbschaften steuerbefreit, wenn die Angestellten des Unternehmens in der betreffenden Region des Landes (im vorliegenden Fall: Flandern) besch5iftigt werden. Diese Regelung fifhrte zu einem Rechtsstreit, in welchem das belgi- sche Gericht den EuGH um eine Vorabentscheidung iber die Auslegung der Art. 43 EG (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 EG (Kapitalverkehrsfreiheit) ersuchte. Der Gerichtshof hilt vorab fest, dass in einem Fall wie dem vorliegen- den, wo die Beteiligung am fraglichen Unternehmen zu einem entscheidenden Einfluss fiirt, die Niederlassungsfreiheit statt der Kapitalverkehrsfreiheit an- wendbar ist. Der Gerichtshof erinnert daran, dass Art. 43 EG nicht nur die of- fensichtliche (direkte), sondern auch die versteckte (indirekte) Diskriminierung wegen der Staatsangehdrigkeit verbietet. Er hilt fest, dass das Erfordernis der Beschuiftigung von Angestellten in einer bestimmten belgischen Region leichter von bereits ansiissigen als von ausldindischen Unternehmen erfillt werden kann und deshalb zu einer indirekten Diskriminierung fhrt. Eine solche Behandlung ist nur zul5issig, wenn mit ihr ein berechtigtes, mit dem Vertrag zu vereinbaren- des Ziel verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Griinde des Allgemeinin- teresses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss aber ausserdem ihre An- wendung zur Erreichung des damit verfolgten Ziels geeignet sein und darfnicht iber das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist. Zur Rechtfertigung berief sich die belgische Regierung neben wirksamen fiskalischen Kontrollen auf die Sicherung des tiberlebens von kleinen und mittleren Unternehmen sowie der Beschiftigung in solchen Unternehmen im Falle von Erbschaften. Nach dem EuGH handelt es sich dabei um Anliegen, die zwar legitim sein kdnnen, die aber unter den gegebenen Umstinden nicht iiberzeugen. Insbesondere hat Bel- gien nicht nachgewiesen, warum die Beschr~inkung der Ausnahme auf Fami- lienbetriebe zur Erhaltung von Arbeitsplitzen ndtig sein soll.

Wie das EG-Recht verbietet auch das bilaterale Personenfreiztigigkeitsab- kommen nicht nur direkte, sondern auch indirekte Diskriminierungen wegen der Staatsangehdrigkeit. Ebenfalls wie im EG-Vertragsrecht erscheint das Ver- bot der indirekten Diskriminierung nicht ausdriicklich im Vertragstext, sondern beruht auf der stfindigen Rechtsprechung des EuGH, die weit vor das FZA zu-

26 Rs. C-464/05 Maria Geurts und Dennis Vogten gegen Administratie van de BTW, registratie en domeinen and Belgische Staat, Entscheidung vom 25. Oktober 2007 (noch nicht in der Sammlung der Entscheidungen ver6ffentlicht).

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rfickreicht7 und deshalb ohne Weiteres auch im Rahmen des bilateralen Rechts relevant ist.2 8 Die Anwendbarkeit der Bestimmungen iber die Niederlassungs- freiheit auf Regeln iber Kapitalbeteiligungen an Gesellschaften, die zu ent- scheidendem Einfluss fihren, ergibt sich aus Art. 43 EG. Danach umfasst die Niederlassungsfreiheit u.a. die Griindung und Leitung von Unternehmen, ins- besondere von Gesellschaften, in einem Mitgliedstaat durch einen Angeh6rigen eines anderen Mitgliedstaats. Dass sich dies auch auf grosse Kapitalbeteiligun- gen erstreckt, hielt der EuGH im Jahr 2000 fest.29 Unseres Erachtens handelt es sich hierbei nicht um eine inhaltlich neue Rechtsprechung, sondern vielmehr um die ausdrfickliche Statuierung von etwas, das bereits angesichts des Wort- lautes von Art. 43 EG deutlich sein muss. Dass schliessslich die Bestimmungen iber die Personenfreiztigigkeit (zu denen auch Art. 43 EG geh6rt) auch auf steuerliche Sachverhalte anwendbar sind, ist seit den 1980er-Jahren bekannt3 0 Auch diese Rechtsprechung ist fflr das FAZ daher ohne Weiteres relevant. Zu ergdinzen bleibt, dass im Falle von weniger gewichtigen Investitionen im EG- Recht das Recht iber die Kapitalverkehrsfreiheit zurAnwendung gelangt. Dazu enthilt das bilaterale Recht keine Entsprechung.

cc) Beschriinkungen - Restrictions

Die hier als erstes Beispiel mit Bezug auf das Verbot von Beschrfinkungen be- sprochene Vertragsverletzungsklage der Kommission betrifft das deutsche Recht iber sog. Eigenheimzulagen, wie es im Jahr 2005 galt. 1 Solche Zulagen werden an Personen gewihrt, die in Deutschland einkommenssteuerpflichtig sind, sofern das zu finanzierende Eigenheim in Deutschland gelegen ist. Fr den Ausschluss von Eigenheimen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat gele- gen sind, spielt dabei keine Rolle, ob in jenem anderen Staat ein Anspruch auf eine vergleichbare Zulage besteht. Die Kommission klagte beim EuGH mit dem Argument, die erwfihnte Bedingung verletze die Art. 18 (iiber Reise- und Auf- enthaltsrechte von EU-Biirgerinnen und Btirgern), 39 (Arbeitnehmerfreiziigig- keit) und 43 EG (Niederlassungsfreiheit). Der EuGH hilt vorab fest, dass die allgemeine Bestimmung von Art. 18 EG in den Art. 39 und 43 EG ffr ihre je- weiligen Anwendungsbereiche einen spezifischen Ausdruck findet. Dann erin- nert er daran, «dass jeder Angeh6rige eines Mitgliedstaats, der von dem Recht auf Arbeitnehmerfreiziigigkeit oder von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch

21 Vgl. dazu CHRISTA TOBLER, Indirect Discrimination. A Case Study into the Development of the Legal Concept of Indirect Discrimination under EC Law, Antwerp/Oxford: Intersentia 2005.

28 Siehe dazu bereits die Europarechts-Chronik in SZIER 2005, 611-640, S. 622.

29 Rs. C-251/98 C. Baars gegen Inspecteur der Belastingen Particulieren/Ondernemingen Gorinchem, Slg. 2000, S. 1-2787, Erw. 22.

3 Rs. 270/83 Kommission gegen Frankreich (Avoir fiscal), Slg. 1986, S. 273.

31 Rs. C-152/05 Kommission gegen Deutschland, Entscheidung vom 17. Januar 2008 (noch nicht in der Sammlung der Entscheide ver6ffentlicht).

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gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat eine Berufstfi- tigkeit ausgeiibt hat, unabhfingig von seinem Wohnort und seiner Staatsangeh6- rigkeit in den Anwendungsbereich von Art. 39 EG bzw. Art. 43 EG flullt [...].

Ausserdem sollen siimtliche Vertragsbestimmungen iber die Freizfigigkeit den Gemeinschaftsangeh6rigen die Ausiibung beruflicher Tditigkeiten aller Art im gesamten Gebiet der Europfiischen Gemeinschaft erleichtern, und stehen Mass- nahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangeh6rigen benachteiligen k6nnten, wenn sie eine Erwerbstfitigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausiiben wollen [...]. Bestimmungen, die einen Angeh6rigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freiztigigkeit Gebrauch zu machen, stellen Beeintrfichtigungen dieser Frei- heit dar, auch wenn sie unabhfingig von der Staatsangeh6rigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden [... ]>>." Im vorliegenden Fall gelangt der EuGH zum Schluss, dass Bestimmungen der fraglichen Art eine Beschrdinkung der Arbeitnehmerfreizfigigkeit sowie der Niederlassungsfreiheit darstellen. Na- tionale Massnahmen, die geeignet sind, die Ausiibung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, k6nnen jedoch zugelassen werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu ge- wfihrleisten, und wenn sie nicht iber das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist. Die von Deutschland vorgebrachtenArgumente der F6rderung von Eigenheimen und der Sicherstellung eines ausreichenden Bestandes an Wohnraum dringen allerdings nicht durch: der EuGH erachtet die von Deutschland erlassenen Massnahmen als unverhiltnismissig. Der EuGH hilt deshalb fest, dass die (mittlerweile abgeschaffte) deutsche Regelung iber die Eigenheimzulage die Art. 18, 39 und 43 EG verletzt.

Um das Beschrdinkungsverbot nach den Art. 39 und 43 EG ging es auch in der belgischen Pflegeversicherungssache Gouvernement de la Communaut frangaise, Gouvernement wallon gegen Gouvernement flamand3 Nach den

einschligigen Regeln der belgischen Region Flandern sind diejenigen Personen vom System der Pflegeversicherung ausgeschlossen, die im niederldindischen Sprachgebiet oder im zweisprachigen Gebiet Briissel-Hauptstadt arbeiten und im belgischen Staatsgebiet, jedoch ausserhalb des Gebiets dieser beiden Re- gionen wohnen. Der Gerichtshof hilt fest, dass die Art. 39 und 43 EG nur auf Situationen mit grenziiberschreitendem Bezug anwendbar sind, d.h. auf Staats- angeh6rige anderer Mitgliedstaaten als des K6nigreichs Belgien, die im nie- derldindischen Sprachgebiet oder im zweisprachigen Gebiet Brfissel-Hauptstadt

" Idem, Erw. 20-22.

33 Rs. C-212/06 Gouvernement de la Communaut franVaise, Gouvernement wallon gegen Gouverne- mentflamand (Pflegeversicherungen), Entscheidung vom 1. April 2008 (noch nicht in der Sarm- lung der Entscheide ver6ffentlicht).

SZIER RSDIE 4 2008 Kaddous Tobler

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eine Berufstditigkeit ausiiben, aber in einem anderen Teil des Staatsgebiets woh- nen, sowie auf belgische Staatsangeh6rige, die sich in der gleichen Situation befinden und von ihrem Recht auf Freizfigigkeit Gebrauch gemacht haben. Be- zfiglich solcher Situationen gilt, dass die Mitgliedstaaten zwar weiterhin fir die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zustfindig sind, dass sie dabei j edoch das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die Bestimmungen des Vertrags Uber die Freizfigigkeit der Arbeitnehmer und die Niederlassungsfrei- heit beachten miissen. Die Art. 39 EG und 43 EG stehenjeder nationalen Mass- nahme entgegen, die, auch wenn sie ohne Diskriminierung aus Grfinden der Staatsangeh6rigkeit anwendbar ist, geeignet ist, die Ausiibung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch die Gemeinschaftsangeh6rigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Dazu geh6ren auch Massnahmen, die bewirken, dass Arbeitnehmer oder Selbstdindige infolge der Ausiibung ihres Rechts auf Freizfigigkeit Vergiinstigungen der sozialen Sicherheit verlieren, die ihnen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zustehen. Genau das ist aber vorliegend der Fall. Nationale Massnahmen, die geeignet sind, die Aus- Oibung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, k6nnen nur dann zugelassen werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird sowie wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewiihrleisten, und wenn sie nicht Uber das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist. Solche Umstfinde bestehen vorliegend aber nicht.

Das entscheidende Charakteristikum des Beschriinkungsverbotes im EG- Recht ist seine ausserordentlich grosse Reichweite: Anders als beim Verbot von Diskriminierungen ist hier eine Vergleichbarkeit der Situationen nicht erforder- lich; entscheidend ist vielmehr ganz allgemein, ob eine Massnahme zu einer Benachteiligung von Personen fhrt, die von ihrem Recht auf Freizfigigkeit Ge- brauch machen wollen oder bereits Gebrauch gemacht haben. Aus diesem Grund ist das Verbot von Beschrdinkungen in der Praxis in vielen Fillen einfa- cher zu handhaben als Diskriminierungsverbote die Ausfihrungen von Gene- ralanw~iltin Sharpston in der Rechtssache Deutsche Shell3 4 bieten dazu ein be- sonders anschauliches Beispiel. Weiter ist typisch, dass das B eschrdinkungsverbot auch gegen den eigenen Mitgliedstaat geltend gemacht werden kann.

Fir das bilaterale Recht ist nun aber umstritten, ob es <<nur>> die Diskrimi- nierung wegen der Staatsangeh6rigkeit oder aber auch Beschriinkungen in die- sem weiteren Sinne verbietet3 5 Im bilateralen Verhiiltnis wfirde in Fillen wie

34 Vgl. dazu z.B. Generalanwdltin Sharpston zur Rs. C-293/06 Deutsche Shell GmbHgegen Finanzamt fir Grossunternehmen in Hamburg, Entscheidung vom 28. Februar 2008 (noch nicht in der Samm-

lung der Entscheide ver6ffentlicht).

35 CHANTAL DELLI/CHRISTA TOBLER, <{Beschrankungsverbot im Personenfreiztigigkeitsabkommen?

Systematischer Blick auf ein umstrittenes Konzept>>, Aktuelle Juristische Praxis 2007, 1367-1375.

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den hier besprochenen das FZA von seinem Anwendungsbereich her zur An- wendung gelangen. Fraglich ist aber, ob das Abkommen iber das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangeh6rigkeit hinaus auch ein Verbot von Be- schrdinkungen enthilt. In einer an der Universitfit Basel ktirzlich vorgelegten Dissertation wird argumentiert, die EG-rechtliche Rechtsprechung iber das Be- schrdinkungsverbot sollte auf die Bestimmungen des FZA iber die Arbeitneh- merfreizigigkeit iibertragen werden 6 Rechtsprechung zu dieser Frage gibt es noch nicht. Allerdings argumentiert die Europfiische Kommission in einem an- deren Zusammenhang (ndimlich in ihrer Entscheidung iber den bereits erwdihn- ten Luftverkehrsstreit), das bilaterale Luftfahrtabkommen37 gehe iber ein Dis- kriminierungsverbot nicht hinaus. Die Sache ist wie bereits erwfhnt -Wngig.

Sie dirfte, falls sich der Gericht erster Instanz zu dieser Frage 5iussem wird, eine Reflexwirkung auf das FZA haben.

b) Einreise- und Aufenthaltsrechte von Familienangeh6rigen - Droits de circuler et de sjourner des membres de la famille

Die Vorabentscheidung in der ausserordentlich wichtigen Rechtssache Metock38 betrifft das Recht auf Familiennachzug mit Bezug auf Drittstaatsangeh6rige.

Die Rechtssache betrifft die Verweigerung vonAufenthaltgenehmigungen durch den irischen Justizminister gegeniber einer Anzahl von Drittstaatsangeh6rigen, die mit in Irland ansiissigen Unionsbiirgerinnen verheiratet sind. Dies erfolgte gestiitzt auf das irische Recht zur Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG,3 9 das einem Familienangeh6rigen u.a. nur dann ein Aufenthaltsrecht gewijhrt, wenn er sich davor rechtmissig in einem anderen Mitgliedstaat auhfilt. Laut den Kiki- gem steht dieses Erfordemis im Widerspruch zu den Vorschriften der Richtlinie 2004/38/EG. Sie argumentierten, dass die Richtlinie die Voraussetzungen fiir die Einreise und den Aufenthalt in abschliessender Weise regle, sodass die Mit- gliedstaaten nicht berechtigt seien, zusditzliche Voraussetzungen aufzustellen.

6 CHANTAL DELLI, Verbotene Beschrinkungen flir Arbeitnehmende? Uberlegungen zur Tragweite des Personenfreiztigigkeitsabkommens zwischen der Schweiz sowie der EG und ihren Mitgliedstaaten, Dissertation Universitfit Basel (noch nicht ver6ffentlicht), mit zahlreichen weiteren Literaturhinwei- sen.

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Europiischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft fiber den Luftverkehr, fur die Schweiz SR 0.748.127.192.68, ffir die EG ABI.

2002, L 114/73.

38 Rs. C-127/08 Blaise Baheten Metock u.a. gegen Minister for Justice, Equality and Law Reform, Entscheidung der Grossen Kammer des Gerichtshofes vom 25. Juli 2008 (noch nicht in der Samm- lung der Entscheide ver6ffentlicht).

39 Richtlinie 2004/38/EG fiber das Recht der Unionsbfirger und ihrer Familienangeh6rigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Anderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Authebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABI. 2004 L 158/77.

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Der Gerichtshof hilt fest, dass keine Bestimmung der Richtlinie 2004/38/EG deren Anwendung in Bezug auf Familienangeh6rige von Unionsbtirgem von der Voraussetzung abhingig macht, dass diese sich zuvor in einem anderen Mit- gliedstaat aufgehalten haben. Laut dem EuGH wird diese Auslegung durch die Rechtsprechung zur Vorgdingerregelung der Richtlinie 2004/38/EG, ndimlich der Verordnung 1612/68/EWG,4 gestiitzt, insbesondere durch die Aussagen des Gerichtshofes iber den Schutz des Familienlebens. Der Gerichtshof fdihrt fort: <<Es trifft zu, dass der Gerichtshof in den Randnrn. 50 und 51 des Urteils Akrich entschieden hat, dass sich der mit einem Unionsbtirger verheiratete Drittstaatsangeh6rige, um in den Genuss der Rechte aus Art. 10 der Verordnung Nr. 1612/68 kommen zu k6nnen, rechtmiissig in einem Mitgliedstaat aufhalten muss, wenn er sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, in den der Unionsbiir- ger abwandert oder abgewandert ist. Hieran ist jedoch nicht festzuhalten. Denn der Genuss solcher Rechte kann nicht davon abhiingen, dass sich der mit einem Unionsbtirger verheiratete Drittstaatsangeh6rige zuvor in einem anderen Mit- gliedstaat aufgehalten hat (vgl. in diesem Sinne Urteile MRAX, Randnr. 59, und [...] Kommission/Spanien, Randnr. 28). Die Richtlinie 2004/38, mit der die Verordnung Nr. 1612/68 gedindert wurde und die vorhergehenden Richtli- nien iber die Freiziigigkeit aufgehoben wurden, muss erst recht in diesem Sinne ausgelegt werden. Denn die Richtlinie 2004/38 bezweckt, wie aus ihrem dritten Erw~igungsgrund hervorgeht, das Freiztigigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbtirger zu vereinfachen und zu verstdirken, sodass es nicht in Betracht kommt, dass die Unionsbtirger aus dieser Richtlinie weniger Rechte ableiten als aus den Sekunddirrechtsakten, die sie dindert oder authebt.>>4 1 Laut dem Ge- richtshof wire die Ausiibung der Freiheiten, die der Vertrag den Unionsbtirgern gewdihrleistet, schwerwiegend behindert, wenn diese im Aufnahmemitgliedstaat kein normales Familienleben fiihren diirften. Auch wire es mit dem Ziel des Binnenmarktes nicht vereinbar, wenn die Mitgliedstaaten ausschliesslich fir die Einreise- und Aufenthaltsregelungen zustiindig wdiren. Dies wtirde zu unter- schiedlichen Regelungen j e nach Land fihren. Widersinnig wire auch, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 2003/86/EG iber die Familienzusam- menfiirung verpflichtet wiiren, dem Ehegatten eines Drittstaatsangeh6rigen die Einreise und den Aufenthalt zu gestatten, dies aber dem Ehegatten eines Unionsbtirgers unter denselben Umstiinden verweigern diirfte. Im 1tbrigen dfir- fen die Mitgliedstaaten die Einreise und den Aufenthalt aus Grfinden der fent- lichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit verweigern sowie Massnahmen im Hinblick auf Rechtsmissbrauch oder Betrug ergreifen. Weiter hilt der EuGH

4 Verordnung 1612/68/EWG fiber die Freiztigigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABI. 1968 L 257/2.

41 Metock, Erw. 58 f.

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fest: Ein Drittstaatsangeh6riger, der Ehegatte eines Unionsbiirgers, der sich in einem Mitgliedstaat aufhfilt, dessen Staatsangeh6rigkeit er nicht besitzt, ist und diesen Unionsbiirger begleitet oder ihm nachzieht, kann sich auf die Bestim- mungen dieser Richtlinie unabhfingig davon berufen, wann oder wo die Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangeh6rige in den Auf- nahmemitgliedstaat eingereist ist.

Familiennachzugsrechte bestehen auch im bilateralen FZA, hier aber einst- weilen noch aufgrund der Verordnung 1612/68/EWG.42 Die in diesem Zusam- menhang relevante Rechtssache Akrich43 ist bereits in friiheren Ausgaben der Europarechtschronik erwfhnt worden.44 Sie ist von vielen so interpretiert wor- den, dass sich das Ergebnis j ener Entscheidung mit den besonderen Umstfinden des Falles erkliren liess und deshalb nicht in allgemeiner Weise gelte. In der spditeren Entscheidung Jia45 erklirte der Gerichtshof, dass das Gemeinschafts- recht die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, die Gewfihrung des Aufenthalts- rechts an die Voraussetzung zu knfipfen, dass sich das Familienmitglied vorher rechtmfissig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat. Die Entscheidung Metock geht nun aber noch einen Schritt weiter. Von besonderen Umstdinden in Akrich ist hier nichts zu lesen. Der Gerichtshof scheint vielmehr von einer Art riickwirkenden Praxisdinderung in Bezug auf die Auslegung der Verordnung 1621/68/EWG auszugehen, die er aus Elementen der friiheren Rechtsprechung ableitet (nfimlich der Aussage, dass sich das Recht des mit einem Staatsangeh6- rigen eines Mitgliedstaats verheirateten Staatsangeh6rigen eines Drittstaats auf Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nach dem Gemeinschafts- recht allein aus der familidiren Beziehung bzw. dem Verwandtschaftsverhfilmis ergibt, in den Entscheiden MRAX 0 sowie Kommission gegen Spanien).4' Nach den Grundsditzen des Gemeinschaftsrechts haben Vorabentscheidungen grund- sditzlich (d.h. wenn der EuGH nicht ausnahmsweise ausdrficklich etwas anderes bestimmt) eine unbeschrfinkte Riickwirkung (wobei angemessene zeitliche Be- schrdinkungen nach mitgliedstaatlichem Recht ffir die Geltendmachung von An- spriichen zulissig sind). Aus der Sicht des bilateralen Rechts handelt es sich

42 Vgl. dazu oben II.l.b.

43 Rs. C-109/01 Secretary of State for the Home Department gegen Hacene Akrich, Slg. 2003, 1-9607.

4 Europarechts-Chroniken in SZIER 2005, 611-640, S. 633, sowie 2006, 467-500, S. 487; weiter HANSPETER MOCK/FABRICE FILLIEZ, <Libre circulation des personnes et regroupement familial: A propos de la prise en compte de lajurisprudence de la Cour de Luxembourg par le tribunal f~d&rab>, SZIER 2006, 237-256.

45 Rs. C-1105 Yunying Jia gegen Migrationsverk, Entscheidung vom 9. Januar 2007 (noch nicht in der Sammlung der Entscheidungen ver6ffentlicht), Erw. 33.

46 Rs. C-459/99 Mouvement contre le racisme, l'antisdmitisme et la xdnophobieASBL (MRAi) gegen Belgischer Staat, Slg. 2002, S. 1-6591.

47 Rs. C-157/03 Kommission gegen Spanien, Slg. 2005 Seite 1-2911, Erw. 28.

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aber bei allen erwdihnten Entscheiden zeitlich und inhaltlich betrachtet um neue Rechtsprechung, welche als solche streng genommen ffir die Schweiz nicht ver- bindlich ist. Dennoch scheint das Bundesgericht die Entscheidung Jia beachtet zu haben.48 Es empfiehlt sich, dass es dasselbe auch bezfiglich der Entschei- dung Metock tut.

2. EFTA-GH: Sozialversicherungsrecht -

Droit a I'assurance sociale

Beim hier besprochenen Vertragsverletzungsverfahren49 geht es um eine liech- tensteinische Sozialversicherungsregelung, wonach ein Anspruch auf die sog.

Hilflosenentsch~idigung nur dann besteht, wenn die betreffende Person in Liech- tenstein wohnhaft ist. Die ESA (EFTA Surveillance Authority, welche in ihrer Funktion der EU-Kommission entspricht) warf Liechtenstein vor, mit dieser Bedingung das Sozialversicherungsrecht des EWR zu verletzen. Dabei geht es insbesondere um Art. 19 Abs. 1 der bereits erwdhnten Verordnung 1408/71/

EWG. Danach erh~ilt <<[e]in Arbeimehmer oder Selbstdindiger, der im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des zustdindigen Staates wohnt und die nach den Rechtsvorschriften des zustdindigen Staates fdr den Leistungsanspruch er- forderlichen Voraussetzungen erfullt [...] erfillt, in dem Staat, in dem er wohnt, a) Sachleistungen ffir Rechnung des zustdindigen Tr~igers vom Tr~iger des Wohn- orts nach den ffir diesen Tr~iger geltenden Rechtsvorschriften, als ob er bei die- sem versichert wdire; b) Geldleistungen vom zust~indigen Tr~iger nach den fdr diesen Tr~iger geltenden Rechtsvorschriften. [...]>>. Liechtenstein verteidigte sich mit dem Argument, beim Beitritt des Landes zum EWR-Abkommen sei die Hilflosenentsch~idigung als besondere beitragsunabh~ingige Geldleistung im Sinne von Art. 4(2a)(b) der genannten Verordnung qualifiziert worden, wel- che nach Art. 10a auschliesslich im Wohnmitgliedstaat ausbezahlt werden, so- fern sie im Anhang Ila aufgefohrt sind (im Anhang Ila zur Verordnung in der fir den EWR gfiltigen Version ist ffir Liechtenstein die Hilflosenentsch~idigung denn auch tats~ichlich aufgelistet). Demgegeniiber argumentierte die ESA, die Auflistung im Anhang habe nach der Rechtsprechung des EuGH keine konsti- tutive Wirkung. Nach dem EFTA-Gerichtshof muss festgestellt werden, ob die fragliche Hilflosenentsch~idigung unter Art. 4 Abs. 1 lit. a oder unter Art. 4 Abs. 2a der Verordnung fdillt. Er h~ilt fest, dass die Verordnung 1408/71/EWG die Personenfreiziigigkeit erleichtern soll. Wiirde dem Anhang Ila konstitutive Wirkung in Fillen zuerkannt, in welchen die in Art. 4 Abs. 2a statuierten Bedin- gungen nicht erffillt sind, so wfirde dies zu einer Benachteiligung der betroffe-

48 Siehe dazu die Europarechts-Chronik in SZIER 2007, 637-664, S. 652.

4' Rs. E-5/06 EFTA Surveillance Authority gegen Liechtenstein, EFTA Court Report 2007, S. 296.

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nen Personen fiiren. Die Auflistung im Anhang muss deshalb im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH als eine notwendige, aber nicht in sich selbst geniigende Bedingung for die Qualifikation als besondere beitragsunab- hdingige Geldleistung verstanden werden. Was nun die Qualifikation der Hilflo- senentschfidigung anbelangt, so beruft sich Liechtenstein zu Unrecht auf Art. 4 Abs. 2a lit. b, denn diese Bestimmung bezieht sich ausschliesslich aufBehinde- rungen. Die liechtensteinische Hilflosenentschfidigung steht aber auch in ande- ren Fillen zur Verfogung. Ein Sozialversicherungsanspruch im Sinne von Art. 4 Abs. 1 liegt dann vor, wenn sie den Begiinstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prfi- fung der pers6nlichen Bediirftigkeit gewdhrt wird und wenn sie sich auf eines der in Artikel 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrficklich aufgezdhlten Risiken bezieht. Dies ist vorliegend der Fall (Leistung bei Krankheit). Vor die- sem Hintergrund gibt der EFTA-GH der ESA Recht: Die Wohnsitzbedingung fdr die liechtensteinische Hilflosenentschfidigung verletzt EWR-Recht.

In der Presse wurde die soeben beschriebene Entscheidung des EFTA-Ge- richtshofes stark kritisiert («Integration auf die Spitze getrieben>>) und befirch- tet, sie k6nnte auch for die Schweiz einschneidende Folgen haben.5 ° Was das bilaterale Recht anbelangt, so ist im Protokoll zu Anhang II des FZA Folgendes festgehalten: <<Die Hilflosenentschfidigungen des Bundesgesetzes iiber die Al- ters- und Hinterlassenenversicherung sowie des Bundesgesetzes iiber die Inva- lidenversicherung werden mit Beschluss des Gemischten Ausschusses in den Anhang II zum Abkommen iiber die Freizfigigkeit, Anhang Ila zur Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, aufgenommen, sobald eine Anderung dieser Gesetze in Kraft tritt, wonach diese Leistungen ausschliesslich durch die 6ffentliche Hand finanziert werden.>> Inzwischen sind eine entsprechende Anderung sowie ein entsprechender Beschluss des Gemischten Ausschusses erfolgt.5 1 Das Eidge- n6ssische Versicherungsgericht entschied im Jahr 2006,52 dass es ungeachtet der tatsfichlichen Natur als beitragsunabhfingige Sonderleistung den Export ei- ner Hilflosenentschfidigung ins Ausland nicht anordnen kann, weil es an die klaren Bestimmungen des FZA gebunden ist. Soweit die nach dem 21. Juni 1999 ergangene neue Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europfiischen Ge- meinschaften mit dem erklirten und mit dem Beschluss des Gemischten Aus- schusses bestfitigten klaren Willen der Vertragsparteien nicht in Einklang steht,

o (<(Schiefes) Urteil zur Hilflosenentsch~idigung>> sowie mIntegration auf die Spitze getrieben>, NZZ vom 22. Dezember 2007.

51 Beschluss Nr. 2/2003 des Gemischten Ausschusses EU-Schweiz vom 15. Juli 2003 zur Anderung des Anhangs II (Soziale Sicherheit) des Abkommens zwischen der Europ~iischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits tiber die Freiziigigkeit,ABl. 2003 L 187/55.

52 BGE 132V423.

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ist sie nach dem Eidgen6ssischen Versicherungsgericht nicht bindend. Dies muss umso mehr fir eine Entscheidung des EFTA-GH gelten, die als solche fir die schweizerischen Gerichte ohnehin nicht bindend ist. Allerdings stiitzt sich der EFTA-GH in seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des EuGH, so- dass nicht auszuschliessen ist, dass der EuGH sollte sich ihm die Gelegenheit dazu bieten die Bestimmungen des FZA anders als das Bundesgericht auslegt.

In diesem Falle miisste sich wohl der Gemischte Ausschuss der Frage anneh- men.

Ill. Jurisprudence du Tribunal federal relative au droit bilateral - Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichtes zum bilateralen Recht

L'analyse portera sur la jurisprudence relative i l'Accord sur la libre circulation des personnes (ALCP) de 1999. Elle sera articul~e autour de quatre themes : 1' ordre public et la s~curit6 publique (1), la condamnation p~nale pour occupation illicite de ressortissants d'Etats membres de l'Union europ~enne (2), la libre prestation de services (3) et la s~curit6 sociale (4).

1. Ordre public et securite publique - Offentliche Ordnung und 6ffentliche Sicherheit

En verm de l'article 5 de l'annexe I ALCP, seules des mesures justifi6es par des raisons d'ordre public, de s~curit6 publique et de sant6 publique peuvent limiter les droits octroy~s par l'ALCP. Le Tribunal f6d~ral interprte la notion d'ordre public, conform~ment aux articles 5, alin~a 2, de l'annexe I ALCP et 16, ali- n~a 2, ALCP, en se r~f~rant i la directive 64/22 15 ainsi qu' i la jurisprudence de la Cour de justice ant~rieure i la date de signature de l'accord (21 juin 1999).

Uabrogation de la directive 64/221 par la directive 2004/38, laquelle devait tre transpos~e dans les ordres juridiques des Etats membres avant le 30 avril 2006, ne modifie pas la situation pr~valant en Suisse, 6tant donn6 que la directive 2004/38, et notamment ses articles 27 i 33 qui renforcent la protection des res- sortissants communautaires et des membres de leur famille contre les mesures d'6loignement, n'est pas applicable en Suisse. Contrairement aux Etats parties i l'accord sur l'Espace 6conomique europ~en (EEE), qui ont incorpor6 la direc-

53 Directive 64/221 du Conseil, du 25 f&vrier 1964, pour la coordination des mesures sp&iales aux 6trangers en mati~re de d~placement et de sjour justifi~es par des raisons d'ordre public, de s~cu- rit& publique et de sant& publique, JO 56 du 4 avril 1964, p. 850.

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tive 2004/38 dans l'accord,14 l'annexe I de I'ALCP n'a pas &6 modifi~e de manibre i int~grer cette nouvelle directive.

Aprbs une presentation sch~matique des conditions d'application de la notion d'ordre public, nous analyserons un arret dans lequel le Tribunal f~d~ral, aprbs avoir sugg~r6 que ces conditions n'6taient pas remplies, a finalement recouru au concept d'abus de droit pour nier l'applicabilit6 de I'ALCP. Nous examinerons ensuite quelques arrets qui illustrent la delicate appreciation qu'implique le recours i la notion d'ordre public.

a. Generalites sur les conditions d'application de la notion d'ordre public,Abus de droit i invoquer l'accord -Allgemeines iber den Vorbehalt der offentlichen Ordnung; Missbrauch der Berufung auf das Abkommen

S'agissant des conditions du recours i la notion d'ordre public de l'article 5 de l'annexe I ALCP, six prescriptions g6n~rales55 d~coulent de la jurisprudence de la Cour de justice et cons~quemment de celle du Tribunal f~d~ral, fond~e sur la directive 64/22 1.56 Premibrement, la notion d'ordre public s'interprte res- trictivement, comme toutes les limitations au principe de la libre circulation.

Deuxibmement, elle suppose l'existence d'une menace r~elle et d'une certaine gravit6 i l'ordre social. Troisibmement, ladite menace r~elle et s~rieuse doit af- fecter un int~ret fondamental de la socit6. Quatribmement, les mesures d'ordre public ne peuvent tre fond~es que sur le comportement personnel de l'int6- ress6. Des justifications tenant i des raisons de prevention g~n~rale, ou qui ne sont pas directement li~es au cas individuel ne peuvent ds lors tre retenues.

Cinquibmement, le danger doit tre actuel et present. Des condamnations p~na- les ant~rieures ne peuvent donc tre prises en consideration que si les circons-

Voir la d~cision du Comit& mixte de I'EEE n' 158/2007 du 7 d~cembre 2007 modifiant l'annexe V (Libre circulation des travailleurs) et l'annexe VIII (Droit d'&tablissement) de l'accord EEE, JO L 124 du 8.5.2008, p. 20.

55 Voir, pour une synth~se un peu diff&rente des conditions pos~es par le Tribunal f~d&ral, notre pr~c&- dente chronique, RSDIE 4/2007 p. 658 et les r~f&rences cities.

56 Les arrets-cl~s en la mati~re sont certainement les arrets publi~s aux ATF 129 11215 et 130 11 176, lesquels citent notamment les arrets de la Cour de justice Bouchereau (arret du 27 octobre 1977, aff.

30/77, Rec. 1977, p. 1999) et Calfa (arr&t du 19 janvier 1999, aff. C-348/96, Rec. 1999, p. I-11), en relation avec l'interpr~tation restrictive des limitations au principe de la libre circulation, la n&essit&

de d~montrer une menace grave et actuelle A un int& rt fondamental de la soci~t& et la prise en compte limit~e des condamnations p~nales ant&rieures, l'arret Bonsignore (arret du 26 f&vrier 1975, aff. 67/74, Rec. 1975, p. 297) en relation avec l'impossibilit& de justifier des mesures restrictives par des motifs de pr&vention g~n&rale, et enfin l'arret Adoui et Cornuaille (arret du 18 mai 1982, aff. jtes 115/81 et 116/81, Rec. 1982, p. 1665) en relation avec la possibilit& de pr&voir une diff&- rence de traitement entre ses propres ressortissants et les ressortissants d'autres Etats membres dans les mesures susceptibles d'etre prises, tant donn que les Etats n'ont pas le pouvoir d'&loigner leurs propres ressortissants.

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tances de fait i la base de ces condamnations d~montrent que le comportement personnel de l'int~ress6 constitue une menace actuelle pour l'ordre public. Cette condition revient i appr~cier le risque de r~cidive, lequel doit tre 6valu6 << en fonction de l'ensemble des circonstances du cas et, en particulier, de la nature et de l'importance du bien juridique menac6 ainsi que de la gravit6 de l'atteinte potentielle qui pourrait y 6tre port~e >>. En raison de l'interpr~tation restrictive des limitations i la libre circulation, l'appr~ciation de ce risque << ne doit pas 6tre admis trop facilement >>. Plus pr~cis~ment, il n'est pas n~cessaire << d'6ta- blir avec certitude que l'6tranger commettra d'autres infractions i l'avenir ; in- versement, ce serait aller trop loin que d'exiger que le risque de r~cidive soit nul pour que l'on renonce une mesure d'ordre public >>." Sixibmement, les mesu- res d'ordre public doivent respecter le principe de proportionnalit6.

Dans un arret du 18 octobre 2007,58 le Tribunal f~d~ral precise que de sim- ples suppositions, selon lesquelles on peut craindre qu'un ressortissant britanni- que condamn6 i neuf ans d'emprisonnement pour un d~lit fiscal ne cherche i tirer profit de sa presence en Suisse pour se livrer i des activit~s criminelles en matibres 6conomique et financibre, par exemple blanchir de l'argent, ne per- mettent pas de d~duire i suffisance de droit l'existence d'une menace actuelle pour l'ordre public. En l'espbce, l'int~ress6 avait W condamn6 pour une sous- traction fiscale en matibre de taxe sur la valeur ajout~e, commise en bande et portant sur plus de 38 millions de livres sterling (soit plus de 90 millions de francs suisses). I1 avait en outre reconnu deux actes tombant sous le coup de la legislation britannique en matibre de lutte contre le blanchiment d'argent. Avant de conclure que les conditions du recours i la notion d'ordre public au sens de l'article 5 de l'annexe I ALCP ne sont pas remplies, le Tribunal f6d~ral precise que le fait que les peines pr~vues en cas de soustraction d'imp6ts soient princi- palement d'ordre p~cuniaire et qu'elles aient un caractbre administratif plus marqu6 en Suisse que dans d'autres Etats ne les empechent pas de fonder des mesures d'ordre public. Ces condamnations constituent en effet en Suisse des

<< mesures r~pressives >> au sens de la jurisprudence de la Cour de justice.5 9 Le ressortissant britannique en cause dans cette affaire s'6tait 6vad6 de son lieu de detention en Angleterre pour rejoindre l'Espagne. En septembre 2005, aprbs qu'un mandat d'arrt international a W d~livr6 contre lui, il est entr6 en Suisse en usant de faux papiers, infraction pour laquelle il a &6 condamn6 une amende de Fr. 1200.-. Son 6pouse et sa fille, qui s'6taient install~es avec lui dans le canton de Vaud, ont obtenu des autorisations de s~jour CE/AELE.

57 Voir notamment I'ATF 130 II 493, p. 499s.

58 ATF 134 1125.

59 Le Tribunal f~d&ral cite A cet &gard l'arret Adoui et Cornuaille (arret du 18 mai 1982, aff. jtes 115/81 et 116/81, Rec. 1982, p. 1665, § 8), dans lequel la Cour dejustice &voque << des mesures r~pressives ou d'autres mesures r~elles et effectives destinies A combattre ce comportement >>.

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L'autorisation de sjour sollicit~e par l'int~ress6 a par contre 6t6 refus~e par le Service cantonal de la population puis, sur recours, par le Tribunal administratif cantonal, au motif que l'int~ress6 repr~sentait une menace pour l'ordre public au sens de l'article 5 de l'annexe I ALCP. Le Tribunal f~d~ral, s'il admet, comme mentionn6 ci-dessus, que les conditions du recours i la notion d'ordre public ne sont pas remplies en l'esp~ce, rejette n~anmoins le recours en matire de droit public pour d'autres motifs. I1 considre que l'int~ress6 ne peut pas se pr6valoir des droits garantis par I'ALCP car il n'est pas venu en Suisse pour exercer son droit i la libre circulation mais uniquement pour faire 6chec i la demande d'ex- tradition et 6chapper i la justice britannique,60 hypoth~se non protegee par I'ALCP. Pour ce faire, le Tribunal f~d~ral se fonde sur deux arguments. Premi - rement, la libert6 de circuler presuppose << que celui qui s'en pr~vaut ne soit pas seulement autoris6 i entrer librement dans le pays d'accueil, mais aussi qu'il puisse librement quitter le pays d'origine >>. L'article 1, paragraphe premier, de l'annexe I ALCP soumet ainsi l'entr~e sur le territoire d'une partie contractante

i la presentation d'une carte d'identit6 ou d'un passeport valables. Deuxi~me- ment, 1' << esprit de concorde et de cooperation >> qui unit les parties contractan- tes I'ALCP serait << mis mal si une partie contractante 6tait amen~e i d~livrer

6 L'arret indique que l'Office f~d&ral de lajustice n'a pas fait droit A la demande d'extradition prsente par les autorit&s britanniques pour des motifs << qui tiennent apparemment A la nature fiscale des actes incrimines >>. En effet, si la Suisse a ratifi& la Convention europ~enne d'extradition (CEExtr), du 13 d~cembre 1957, (RS 0.353.1) et son deuxi~me protocole additionnel, du 17 mars 1978, lequel facilite notamment l'application de ladite convention en mati~re d'infractions fiscales (RS 0.353.12), elle a toutefois 6mis une r~serve, dans ledit protocole, s'agissant pr~cis~ment de l'application de la Convention aux infractions fiscales. II est intressant de relever que dans l'accord d'association i la mise en ouvre, i l'application et au d~veloppement de l'acquis Schengen (RS 0.360.268.1), la Suisse << s'engage i renoncer i faire usage de ses r~serves et d~clarations accompagnant la ratifica- tion de la Convention europ~enne d'extradition du 13 d&embre 1957 et de la Convention euro- p~enne d'entraide judiciaire du 20 avril 1959 en tant qu'incompatibles avec le present accord >>. Or l'article 63 de la Convention d'application de l'accord Schengen (CAAS), que la Suisse s'est enga- g~e i respecter au titre de l'acquis Schengen, en combinaison avec son article 50, pr&voit l'extradi- tion pour les infractions en mati~re d'accises, de taxe sur la valeur ajout~e et de douanes (fiscalit&

indirecte). La CEExtr. et le CAAS soumettent l'extradition i la condition notamment que les faits donnant lieu i extradition soient punis d'une peine privative de libert& ou d'une mesure de sfiret&

privative de libert& d'un maximum d'au moins un an ou d'une peine plus s& vre. Par contre, la Convention d'extradition de 'UE (JO C 313 du 23.10.1996, p. 12), dont certaines dispositions font 6galement partie de l'acquis Schengen mais qui n'est pas encore en vigueur, faute d'avoir &t& ratifi~e par tous les Etats membres de l'UE, pr&voit premi~rement un abaissement i six mois de la dur~e n&essaire, dans l'Etat requis, de la peine privative de libert& encourue pour les faits donnant lieu A extradition (art. 2, § 1). Deuxi~mement, elle tend l'obligation d'extrader aux infractions en mati~re de fiscalit& directe (art. 6). La Suisse a toutefois annonc& qu'elle ferait usage de la possibilit& offerte par la Convention (art. 6, § 3) de limiter aux seuls faits susceptibles de constituer une infraction en mati~re de fiscalit& indirecte l'extradition au titre d'une infraction fiscale (voir FF 2004 5593, 5780).

Il est i noter que l'accord sur la lutte contre la fraude, qui n'est pas encore en vigueur, ne pr&voit aucune disposition particuli~re en mati~re d'extradition.

SZIER RSDIE 4 2008 Kaddous Tobler

SZIER/RSDIE 4/2008 Kaddous/Tobler

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