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Wer sind die urheber der geheimnisvollen stelen?

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Academic year: 2022

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Wer sind die urheber der geheimnisvollen stelen?

STEIMER, Tara

STEIMER, Tara. Wer sind die urheber der geheimnisvollen stelen? In: Menschen in Stein Gemeisselt. Schweizerisches National Museum (H.G.); Christoph Merian Verlag, 2021. p.

62-72

Available at:

http://archive-ouverte.unige.ch/unige:155048

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WER SIND DIE URHEBER DER GEHEIMNISVOLLEN

STELEN?

Tara Steimer-Herbet

Dieser Beitrag beleuchtet die Auftraggeber der Stelen, ihre Lebens- weise und die Frage, was die aufgestellten und verzierten Stelen aus gesellschaftlicher Sicht bedeuten könnten. Dank der archäologischen Forschungen der letzten fünfzig Jahre verfügen wir über zahlreiche Erkenntnisse, die es erlauben, die Lebensart, die Versorgungsquellen und die Beziehungsnetze der unterschiedlichen sozialen Gruppen besser zu verstehen. Die Ethnoarchäologie gibt uns Zugang zu einem reichen Wissen über die megalithischen Gesellschaften und über die Rolle, die die Stelen darin gespielt haben. Die folgenden Ausführun- gen stützen sich daher auf archäologische Grabungen und auf die Ethnoarchäologie.

MENSCHENFÖRMIGESÄULEN IN DER NÖRDLICHEN LEVANTE

Entgegen der gängigen Überlieferung beginnt die Megalithkultur . nicht mit dem Ackerbau, sondern bereits davor, vor elftausend Jah-

ren, in den Steppen der nördlichen Levante, wo Gruppen von Jägern und Sammlern das ehrgeizige Ziel verfolgen, Stelen mit einem Ge- wicht von mehreren Tonnen aufzustellen. 1995 hat ein Team des

<Deutschen Archäologischen Instituts> unter der Leitung von Klaus Schmidt in Göbekli Tepe sechs grosse Steinanlagen ausgegraben.1 Dank Satellitenbildern wissen wir heute, dass es davon noch vier- zehn weitere gab. Jede dieser ovalen Strukturen von zwölf Metern Länge fasst rund ein Dutzend Säulen in T-Form ein, die bis zu fünf Meter hoch sein können und menschenförmige Wesen mit ausge- formten, über einem Gurt auf dem Bauch platzierten Händen dar- stellen. Ihre würdevolle Haltung ist ähnlich wie jene der kleinen Statuetten aus Stein, die am selben Ort entdeckt wurden. Einige Hun- dert Kilometer entfernt, in Syrien, finden sich mit den von Danielle Stordeur ausgegrabenen Gemeinschaftsbauten von Jerf el Ahmar, deren Benutzung etwas früher anzusetzen ist, die Vorläufer der auf-

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sehenerregenden Monumente von Göbekli Tepe. 2 Während von den Gebäuden von Jerf el Ahmar noch bescheidene Holzpfosten zeugen, wurden in Göbekli Tepe verzierte Steinpfeiler errichtet, die mehrere Tonnen wiegen.

Dass die Stelen von Göbekli Tepe Jäger-und-Sammler-Gruppen zugewiesen werden können, steht heute ausser Zweifel. Denn es wur- den vor Ort lediglich Überreste wilder Arten, sowohl von Tieren als auch von Pflanzen, gefunden. Marion Benz konnte grosse Mengen an Wildpflanzen und Überresten von Wildschweinen, Hirschen, wil- den Eseln, Auerochsen und Gazellen nachweisen.3 Die Menschen beherrschten den Ackerbau noch nicht, nutzten aber die wilden Pflan- zen und hielten Bestände von Wildtieren. Obwohl sie immer noch Jäger waren, richteten sie sich an festen Orten wie Jerf el Ahmar ein und konnten ausreichend Vorräte lagern, um dort sesshaft zu leben.

So wurde genügend Zeit für gemeinschaftliche Arbeiten frei. Eine Stätte wie Göbekli Tepe konnte aber nicht von einer Familie allein errichtet werden, auch nicht von einem Familienclan. Es handelte sich um umfangreiche Arbeiten, die eine Zusammenarbeit nötig machten und zentral organisiert werden mussten. Mehrere Gemein- schaften taten sich also wahrscheinlich für ein gemeinsames Projekt zusammen Abb. 1

DAS AUFTRETEN DER MEGALITHKULTUR IN EUROPA

Erst zweitausend Jahre später, als' Viehzucht und Ackerbau bereits ein fester Bestandteil der Lebensweise im Nahen Osten geworden sind, bewegt sich die Welle der <Neolithisierung> über den Balkan- Donau-Kanal und die Ränder des Mittelmeers nach Europa und erreicht die Atlantikküste. Der Übergang zur Land- und Weidewirt-

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schaft vollzieht sich in ganz Europa. Obwohl Ortswechsel einzelner Personen und Gruppen zu vermuten sind, konnten bisher keine gros- sen und umfangreichen Völkerwanderungen nachgewiesen werden.

Zu dieser Zeit bereichern die aufgestellten Steine die sie umge- bende Landschaft um eine kulturelle und territoriale Dimension, die für alle sichtbar ist. In Europa bestehen die ersten megalithischen Anlagen aus einzeln oder in Gruppen aufgerichteten Steinen, die in der mittleren Jungsteinzeit an verschiedenen Orten unabhängig voneinander in Erscheinung treten. Die am meisten erforschten Men- hirreihen der Schweiz sind jene von Bevaix/Treytel-A Sugiez, von der Promenade des Anglais in Yverdon-Les-Bains, von Derriere la Croix in Saint-Aubin, von La Possession in Lutry und vom Chemin des Collines in Sitten. 4 Ein Beispiel aus Frankreich ist der Grand-Men- hir von Er Grah in Locmariaquer, 350 Tonnen schwer und einund- zwanzig Meter hoch, Leitfigur einer Reihe von sechzehn Menhiren.

Die Reihe war ein markantes Element in der Landschaft. Die Verzie- rung des Grand-Menhirs gibt uns eine Vorstellung von den Themen, die von den Auftraggebern aufgeworfen wurden, aber vor allem auch von den Schwierigkeiten der Archäologinnen und Archäologen, sie zu interpretieren: Je nach Auslegung wird sie als Streitaxt oder Pott- wal gedeutet.

Wie lange waren die Menhire aufrecht gestanden, bevor sie zer- schlagen und zerstört wurden? Das Leben der Stelen verlief jeden- falls nicht wie ein langer, ruhiger Strom. Für jeden Zeitabschnitt ihres Bestehens waren Verhandlungen, Versammlungen und Rituale nö- tig, sogar ihre Zerstörung verlangte eine gemeinsame Anstrengung.

Kürzlich erfolgte Untersuchungen des Erbguts jungsteinzeitlicher Bewohner Europas geben Auskunft über die Urheber dieser monu- mentalen Gebilde: Es handelt sich um eine Durchmischung von Nach- kommen der einheimischen Jäger und Sammler der europäischen Mittelsteinzeit mit den Nachkommen der Bevölkerung aus der Le- vante. 5 Als Folge dieser fruchtbaren Vereinigung sieht das jung- steinzeitliche Europa, wie Philippe Della Casa im ersten Beitrag dieser Publikation unterstreicht, grosse Veränderungen in den Le- bensweisen und Ritualen aufkommen. Ackerbau, Weidewirtschaft und Handel sind Quellen des Reichtums, die zu einem bedeutenden Bevölkerungswachstum führen. Die jungsteinzeitlichen Gemein- schaften gewinnen neue Landstücke im Wald und verändern ihren Lebensraum, indem sie ihn aufteilen in Zonen des Lebens, Zonen der Toten und Zonen, die den Ritualen gewidmet sind. In Letzteren, den heiligen und zentralen Bereichen, werden die aufgestellten

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Die seltenen archäologischen Zeugnisse für häusliche Einrichtun- gen der megalithischen Gemeinschaften weisen darauf hin, dass man zeitweise in der Nähe dieser rituellen Zonen, in kleinen Weilern auf einem Felsvorsprung oder am Fuss einer Felswand, zusammenkam.

Diese Ritualstätten waren aber nicht zur ständigen Belegung gedacht, sondern blieben Durchgangsorte für die ersten Gemeinschaften auf Wanderschaft oder während der beginnenden Sesshaftigkeit. Sonia Wüthrich beschreibt Reste von Dreschkreisen in Derriere la Croix in Saint-Aubin, die zeigen, dass diese Orte zu gewissen Zeiten des Jah- res auch landwirtschaftliche Tätigkeiten einschlossen. 7

WELCHE IDEOLOGIEN STEHEN HINTER DEN STELEN?

In der Jungsteinzeit hatten viele verschiedene archäologische Kultu- ren die Gewohnheit, Steine aufzustellen, Stelen zu errichten und Menhirstatuen herzustellen. Es ist unmöglich, die menschenförmige Gestalt dieser ersten aufgerichteten Steine nicht zu erkennen: der Umriss, das heisst die Form des Steinblocks, der Sporn an der Spitze, genannt Rostrum, die Absetzung der Schultern, Einziehungen an den Flanken, die Darstellung der Hände, der Kleider oder von Schmuck.

Man findet darauf auch kleine eingeritzte Figuren oder Prestigeob- jekte wie Äxte. Das wiederholte Auftreten dieser menschlichen Figu- ren spiegelt wahrscheinlich die Organisation der Gesellschaft und ihre Symbole wider und nicht unbedingt ein aus dem Nahen Osten eingeführtes Gedankengut, das sich über weite Entfernungen aus- breitete. Jede Region verfügt über Eigenheiten in der megalithischen Kunst, die die Verschiedenheit der kulturellen Identitäten jeder Ge- meinschaft sichtbar machen. Um ihrem Bedürfnis nach Inszenierung, Wiedererkennung und Ritual nachzukommen, transportierten die Menschen Steine zuweilen über kilometerlange Distanzen. Sie haben ihre Werke nach einer genauen Ordnung bei einem Wasserlauf, einer Quelle, einem Sumpf oder einem See platziert. Die megalithischen Monumente erscheinen trotz der Unterschiede in ihrer Funktion und Form wie eine gemeinsame Sprache, wie eine Antwort auf ein gemeinsames Bedürfnis, das über die Kulturen hinweg Gültigkeit hat.

Nach der Meinung von Nicolas Cauwe sind diese Architekturanlagen nicht nur Grabbauten oder Monumente mit religiöser oder symbo- lischer Bedeutung, sondern auch das Spiegelbild einer wichtigen

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gesellschaftlichen Entwicklung.8 Ohne Zweifel fällt in diese Zeit die Verfestigung der hierarchisch aufgebauten Machtstrukturen mit wichtigen Persönlichkeiten, die eine Gruppe zusammenhalten und leiten können und ihr wohl in einer wechselseitigen Beziehung auch von Nutzen sind.

Gleichzeitig mit diesen Anlagen beginnen die Menschen, ihre Ver- storbenen in Kisten zu bestatten, zuerst aus Holz, dann aus Stein, wie es zum Beispiel die Gräber des Typs Chamblandes in Pully in der Schweiz aufzeigen.9 Ursprünglich in der Erde vergraben, werden Kis- ten für Einzelbestattungen sehr bald auf der Erdoberfläche errichtet, um sich dann zu grossen megalithischen Gräbern mit mehreren Ver- storbenen derselben Familie oder desselben Clans zu entwickeln, wie jene von Petit-Chasseur in Sitten, beschrieben im Beitrag von Pierre-Yves Nicod, Philippe Curdy und Manuel Mottet. Auf diese Weise bewegen sich die jungsteinzeitlichen Gemeinschaften in einer von Steinmonumenten geprägten Landschaft. Diese Monumente können sie nach ihren Bedürfnissen verschieben, aufrichten, zerstö- ren und verändern. Dafür müssen sie aber imstande sein, sich als Gruppe zu organisieren, und sie verleihen wahrscheinlich gewissen Familien, denen die Monumente geweiht sind, eine einende Rolle.

Obwohl in ständiger Bewegung, gelingt es diesen Gemeinschaften, den Austausch wertvoller Güter - wie Äxte aus alpinem Gestein und iberische Perlen aus Variszit - über lange Entfernungen zu unterhal- ten. Der Erwerb dieser Objekte hat wahrscheinlich die besagte ei- nende Rolle gewisser Familien begünstigt.

Heute weiss man dank der aktuellen ethnoarchäologischen Stu- dien zu den megalithischen Gesellschaften, die wir in Indonesien durchgeführt haben, 10 dass die Megalithkultur eng verbunden ist mit der Anhäufung von Vermögen, der Entwicklung einer Identität und der Machtposition einer Person oder eines Clans. Man hat lange Zeit geglaubt, dass nur sesshafte, Land- und Weidewirtschaft betrei- bende Gesellschaften fähig waren, durch Produktionsüberschuss Besitz anzuhäufen. Die oben erwähnten Beispiele zeigen jedoch, dass die Jäger und Sammler in der Lage waren, Güter zu lagern, sich für ein gemeinsames Projekt zusammenzuschliessen und, wahrschein- lich, sich unter einer einenden Macht zu organisieren, die den Handel wertvoller Produkte über lange Distanzen kontrollierte. Ba- sierend auf den neuesten archäologischen Entdeckungen schlägt Alain Gallay deshalb eine neue Kategorie in seiner Einteilung der megalithischen Gesellschaften vor: die sesshaften Jäger und Samm- ler und Grundbesitzer.11

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Alain Testart spricht in Bezug auf die Gemeinschaften von Jägern und Sammlern, von Ackerbauern und von Viehzüchtern von «ostentati- ven plutokratischen Gesellschaften», also Gesellschaften, in denen der Reichtum Macht verleiht und offen zur Sf:hau getragen wird.12 Auch wenn in den archäologischen Zeugnissen keine Ungleichheit von Besitztümern sichtbar wird, zeugt allein das Vorhandensein der megalithischen Monumente, die eine vereinte Anstrengung und or- ganisierte Arbeit voraussetzen, von einem System, in dem die er- wirtschafteten Reichtümer einigen Mitgliedern der Gemeinschaft zugutekommen. Gemeinsame Unternehmungen wie diese verlan- gen eine Belohnung der Arbeiter durch Feierlichkeiten, Nahrung, Geschenke und gesellschaftliche Beziehungen. Die Aufstellung der Megalithen führte zu einer Stärkung der sozialen Bindungen und hatte den Aufstieg der Auftraggeber in eine höhere gesellschaftli- che Position zur Folge. Die Megalithen waren also eine politische Unternehmung zugunsten einer plutokratischen Gesellschaft.

Ein wichtiges Beispiel für diese Idee der Anhäufung von Besitz findet sich auf der Insel Nias in Indonesien, die bereits im Beitrag von Philippe Della Casa wegen ihrer aussergewöhnlichen Rituale erwähnt wurde und die wir beobachtet und studiert haben.13 Die Niha-Stäm- me, die auf der vor Sumatra gelegenen Insel leben, haben während langer Zeit alle Kontakte mit Händlern zurückgewiesen. Die hollän- dischen Kaufleute waren die ersten, die ernsthafte Handelsbeziehun- gen aufnehmen konnten, was das soziale Verhalten der Stämme beträchtlich veränderte. Um 1890 berichtete Elio Modigliani, ein ita- lienischer Entdecker, von einem Handelsabkommen zwischen den Holländern und den Stämmen der Region Gomo im Zentrum von Nias.14 Zusätzlich zu den lokalen Gütern (unter anderem Patschuli) versorgten sich die Holländer bei einigen Stämmen auch mit Sklaven.

Zwischen den Dörfern begannen deshalb richtiggehende Sklaven- jagden. Die Stammeshäuptlinge wiesen die Mitglieder ihrer Gemein- schaften an, die Nachbarn in ihre Gewalt zu bringen, um sie an die Fremden zu verkaufen. Damit bestärkten sie den kriegerischen Charakter der Niha und trugen zur vermehrten Befestigung der Dör- fer sowie einer ungebremsten Rivalität zwischen den Stämmen bei.

Auf diese Weise führten die Abkommen zwischen den fremden Kauf- leuten und einer einheimischen Gruppe zu einem sprunghaften Anstieg von Vermögen und dem Besitz von Prestigeobjekten. Wäh- rend dieser fruchtbaren Epoche wurden die Ehrenfeste erstmals durch den Bau von Steinmonumenten für die wichtigen Persönlich- keiten und durch zahlreiche Tieropfer, vor allem Schweine, begleitet.

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Abb. 2

Megalith von Hiligohe im Norden der Insel Nias

in Indonesien.

Die Megalithkultur ist auf Nias an die Lebenden gebunden. Die in einen grossen Steinblock geschnittenen Bänke, die runden oder vier- eckigen Sitze und runden Steintische ebenso wie die Statuen werden zu Ehren der aktuellen Häuptlinge und Adligen errichtet Abb. 2

Ebenfalls in Indonesien, auf der Insel Sumba, machten im 16. Jahr- hundert die portugiesischen Kaufleute Halt, um sich mit Sandelholz zu versorgen. Auch hier zögerten die Stämme nicht, ihre natürlichen Quellen auszubeuten, um sie gegen Porzellan und Goldschmuck ein- zutauschen. Dadurch wuchs der Reichtum der mächtigen Familien, die mit sorgfältig gearbeiteten Stelen ausgestattete, prächtige Stein- gräber errichteten. Die ethnoarchäologischen Studien im Westen von Sumba weisen eine in drei Klassen unterteilte Gesellschaft nach:

Adlige, Nichtadlige und Sklaven. Christian Jeunesse spricht von segmentären Gesellschaften, also politisch unabhängigen Abstam- mungsgruppen, in linearer Abkunft.15 Heute können die Stämme nicht mehr auf den Verkauf von Sandelholz zählen, um sich megali- thische Monumente errichten zu lassen, aber ihre Anpassungsfähig- keit hat dazu geführt, dass sie zuerst mit kleinen Pferden ( <Sandal- wood Ponies> ), dann mit Mahagoniholz, Saatgut und Bananen han- delten. In jüngster Zeit haben auch der Tourismus und Immobilien- geschäfte beträchtlich zum Reichtum gewisser Familien beigetragen.

In allen modernen megalithischen Gesellschaften in Indonesien, die wir während unserer zahlreichen Forschungsaufenthalte ange- troffen haben, war einer der wichtigsten Faktoren die Bedeutung

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Abb. 3

Transport der Deckplatte des Grabs für die Eltern von Margareta

im Jahr 2011.

der Vorfahren. AufSumba gelangt jede Person, die stirbt, in die Welt der Vorfahren und wird selbst eiri <marapU> (Vorfahre). Die Tradi- tion will es, dass man von Geburt an Vermögen anhäuft, um die El- tern bei ihrem Tod zu ehren. Die Vorfahren zu ehren ist eine Pflicht für das ganze Leben und gibt ihm eine Orientierung. Es ist auch die Pflicht von Margareta, die wir im Steinbruch von Waingapu während des Kaufs einer Platte für das Grab ihrer Eltern befragen konnten. Mit vierzig Jahren kann sie ihnen endlich einen Dolmen schenken. Die Eltern sind seit einigen Jahren tot, ihre in der Erde begrabenen Kör- per warten darauf, dass Margareta die Mittel aufbringt, um ihn zu bauen. Die Errichtung eines Grabs kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. In ihren Augen lesen wir die Jahre der Entbehrung, die zur Erreichung dieses entscheidenden Tages nötig waren. Um ihr Vorha- ben erfolgreich zu Ende zu bringen, hat sie vor einigen Monaten ein Huhn geopfert und damit den Vorfahren ihre Absichten übermittelt.

Dann hat sie Teller voller Betel und Stücke von einem Schwein vor- gebracht, das sie als Nahrung für die einflussreichen Persönlichkei- ten des Stammes geopfert hat. Sobald das Vorhaben abgesegnet war, nahm sie die Verhandlungen mit den Besitzern des Steinbruchs auf.

Der Schlussstein des Grabs hat sie den Preis eines Büffels, eines Pfer- des und eines Schweins gekostet, wobei Letzteres bei den Verhand- lungen vor Ort gegessen wurde. Am Tag des Abtransports des Steins muss sie ebenfalls für die Festivitäten aufkommen und die Teilneh- menden verköstigen. Dafür tötet sie drei Schweine und kocht grosse Mengen an Reis. Um diese Mittel aufzubringen, hat Margareta sich verschuldet. Aber sie kann auf die Solidarität ihres Stammes und ihres Ehemannes zählen. Über hundert Personen sind gekommen, um ihr dabei zu helfen, eine sieben Tonnen schwere Steinplatte auf einen Lastwagen zu hieven und in ihr Dorf zu transportieren.

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Abb.4

In einem Grab vom Typ Cham blandes in Pully im Kanton Waadt entdeckte Miniaturstele aus der mittleren Jungsteinzeit.

Man sieht, dass die Megalithkultur ihren Preis hat. Auch wenn der Kauf der Steine seit einigen Jahren für immer mehr Personen er- schwinglich wird, begründet das in diese Bauten investierte per- sönliche Vermögen die grosse Macht der Elite. In gewisser Weise erlauben es die megalithischen Monumente den Familien, ein sym- bolisches Kapital anzuhäufen Abb. 3.

STELEN UND IHRE INTERPRETATIONEN

Kehren wir zurück in die Schweiz und zu den oben kurz erwähnten Gräbern des Typs Chamblandes. In einem von ihnen, in Chamblan- des in Pully, fand sich gemäss den Angaben von Philippe Curdy und Sebastien Favre ein Objekt aus Stein von ungefähr fünfzehn Zenti- metern Länge, das einen ausgeformten Kopf und Schultern aufweist und in Bezug auf seine Form mit den zeitgleichen menschenförmigen Stelen vergleichbar ist Abb. 4 •16 Was für eine Bedeutung kann man die- sem Objekt nun geben? Weisen die Wiederholung gewisser Merkma- le und die würdevolle Haltung auf schützende Vorfahren hin? Man kann sich gut vorstellen, dass diese den Verstorbenen begleitende Miniaturstele mit denselben Symbolen versehen war wie die grossen menschenförmigen Stelen. Stellt sie eine dem Verstorbenen naheste- hende Person dar? Andre D'Anna und Jules Masson Mourey schrei- ben in ihrem Beitrag zu den Stelen aus dem Südosten Frankreichs von

«steinernen Spiegeln». Was bei gewissen Stelen von Petit-Chasseur (Typ B) beeindruckt, ist die Vielfalt der Elemente, die die Kleidung

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Das königliche Grab von Anakalang auf Sumba, Indonesien, errichtet 1929.

begleiten: Gürtel mit Schnallen, Beutel und ein Lendenschurz un- terhalb des Gurtes. Die Stoffe der Tuniken und die Grabbeigaben, beispielsweise die Gefässe, sind mit aufwendigen geometrischen Mustern verziert: Dreiecke, Rauten, Schachbrettmuster, Halbmonde, Zickzackmuster und andere. Die vielen Details lassen an reale Per- sonen denken, die in gewebte und reich geschmückte Stoffe geklei- det sind. Alain Gallay und Pierre Corboud deuten diese als wichtige Persönlichkeiten, ausgestattet mit Macht innerhalb der sozialen Gruppe.17 Für die beiden Archäologen weisen die partielle Zerstörung der Stelen und ihre Wiederverwendung in neuen Monumenten auf Darstellungen sterblicher Personen hin, nicht auf Gottheiten. Nach Ansicht von Alain Gallay werden die Stelen zur Ehrung einer her- ausragenden Persönlichkeit errichtet, zu Lebzeiten oder bei ihrem Tod, und sie werden entweder bei ihrem natürlichen Ableben oder aufgrund ihres gesellschaftlichen Abstiegs zerstört - was, wenn wir den ethnologischen Quellen folgen, offenkundig ist.18

Wenn wir auch noch nicht imstande sind, den Stelen eine genaue Rolle zuzuweisen, so ist doch die Verbindung zwischen den Stelen und der Welt der Lebenden klar bezeugt. Im Westen von Sumba, in der Region von Anakalang, befindet sich das Dorf Pasunga, dessen Gräber besonders aufsehenerregend sind: Beispielsweise erhebt sich eine Steinplatte von vier Metern Höhe im Vordergrund eines der Gräber. Zuoberst auf dieser Platte sind zwei Figuren im Relief dar- gestellt: ein Mann und eine Frau, die Hände auf den Hüften Abb.s. Aus ethnografischen Studien und Gesprächen mit Familienmitgliedern wissen wir, dass bezüglich der Identität der auf der 1929 errichteten Platte abgebildeten Persönlichkeiten Zweifel bestehen: Handelt es sich um ein Abbild der Verstorbenen oder um ein Abbild ihrer Skla- ven? Es ist nicht unüblich, dass Sklaven ihre Meister bei deren Tod

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in die andere Welt begleiteten; ein solcher gemeinsamer Tod wird häufig beschrieben. Die Auftraggeber waren dankbar für diese Geste der Dienstbarkeit und zögerten deshalb nicht, die Sklaven auf den Stelen darzustellen. Die Stelen übernahmen dadurch die Funktion eines Denkmals, dessen verschiedenen Bedeutungen der Gemein- schaft bekannt waren.

Ebenso wie die modernen Megalithgesellschaften zeugt auch die frühe prähistorische megalithische Architektur in Europa von einer starken Verbindung des Menschen mit der Natur, aber auch von sei- nem Bedürfnis, sie zu gestalten und sich darin seinen Platz zu schaf- fen. Die megalithischen Monumente bestehen dank Solidarität und gemeinsamer Anstrengung, organisiert durch bestimmte Personen, die die Rolle des Häuptlings innehaben und Macht ausüben. Das Be- schaffen der für die Errichtung der megalithischen Monumente nö- tigen Mittel und der Aufbau starker sozialer Beziehungen nahmen in der Jungsteinzeit wahrscheinlich einen grossen Teil des täglichen Le- bens in Anspruch. Die megalithischen Gesellschaften gründen auf der Idee eines zur Schau gestellten Reichtums. Die menschlichen Darstellungen der Stelen spielen dabei eine vielschichtige Rolle: Sie sind verbindend und gewähren gewissen Personen gleichzeitig eine bevorzugte Position.

1 Schmidt (2015). 2 Stordeur (2015). 3 Benz (2017). 4 Grau Bitterli / Fierz-Dayer (2ou); Voruz (1992);

Wüthrich (2003). s Rivollat et al. (2020); Schulz Paulson (2019 ). 6 Gallay (2006). 7 Wüthrich (2003). 8 Cauwe (2016). 9 Baudais et al. (2007); Moinat / Gallay (1998). 10 Steimer-Herbet (2018).

u Gallay (2021). 12 Testart (2012); Testart (2014). 13 Steimer-Herbet (2018). 14 Bonatz (2002).

15 Jeunesse (2021). 16 Curdy / Favre (1995). 17 Corboud (2009); Gallay (1995); Gallay (2011b).

18 Steimer-Herbert (2018).

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